Künstler*in | We Are Scientists | |
Album | TV en français | |
Label | 100 Percent | |
Erscheinungsjahr | 2014 | |
Bewertung |
Es gibt ein verbreitetes Klischee über Wissenschaftler: Sie seien pedantisch, unnahbar, weltfremd. Leidenschaft und Spontaneität seien ihnen fremd. Das stimmt natürlich nicht. Aber man mag angesichts des fünften Albums von We Are Scientists beinahe daran glauben. Denn Keith Murray und Chris Cain klingen auf TV en français erstmals in ihrer 13-jährigen Bandgeschichte, als käme ihre Musik tatsächlich aus einem Pop-Labor: steril, gediegen, kalkuliert, wie Indie by numbers.
Dabei stimmt vordergründig eigentlich alles auf dieser von Chris Coady (Beach House, Wavves, The Smith Westerns) produzierten Platte, auf der als Gäste auch Rose Elinor Dougall und der gottgleiche Tim Wheeler mitwirken, ebenso wie Ex-Razorlight-Drummer Andy Burrows. Es gibt Hooks und Refrains, es gibt Tanzbares und Hymnisches, es gibt Wucht und Pointen. Aber spätestens bei Sprinkles, dem vierten Lied der Platte, bemerkt man: Hier fehlt etwas. Sprinkles ist das nächste okaye Lied mit einem netten Refrain und etablierten Sound-Koordinaten, nach drei solchen Liedern zuvor. Und es ist, wie alle anderen Songs auf TV en français, ein Lied, das eher beeindrucken will als begeistern. Und das ist das Problem.
Der Auftakt What Do You Do Best hat alles, was der Dancerock-Sound braucht, den man eigentlich an We Are Scientists schätzt, bloß keinen Punch. „When I said that you were something else, I didn’t mean it as a compliment“, singt Keith Murray ganz oft, als wolle er ganz sicher gehen, dass auch wirklich alle verstehen, wie ironisch und gemein diese Zeile ist. Auch an anderen Stellen krankt dieses Album an unnötigen Wiederholungen und überflüssigen Gitarrensoli. Dass das Album bei nur zehn Songs und einer Spielzeit von 34:30 Minuten trotzdem zu lang wirkt, ist kein gutes Zeichen.
Es gibt keine wirklich schlechten Lieder, aber gerade die Tatsache, dass man hier in jeder „Was man alles für eine amüsante Indie-Platte braucht“-Checkbox ein Häkchen setzen kann, sorgt dafür, dass TV en français konstruiert wirkt. Dumb Luck hat einen guten Beat und originelle Gitarrenarbeit, Courage ist die obligatorische Ballade, Overreacting wartet mit Disco-Rhythmus und Smiths-Gitarre auf, Return The Favor setzt auf Theatralik, Slow Down beschwört ein bisschen Punkrock herauf und das sehr hübsche Don’t Blow It würden sicher auch The Shins nicht verachten. Aber es fehlen, der vollkommen hohle Rausschmeißer Take An Arrow macht das am deutlichsten, Ungestüm, Frische und Abenteuerlust.
Die Ursache ist vielleicht in dem Mantel aus Ironie zu suchen, in den sich We Are Scientists gerne hüllen, wenn sie in Interviews blödeln, lustige Videos drehen oder ihre Scherze in der eigenen TV-Show Steve Wants His Money treiben. Anders als beispielsweise bei Art Brut ist es hier keineswegs hilfreich, wenn dieses Element auch in die eigene Musik einfließt. Ein Manko ist auch der arg stilisierte und von reichlich Effekten verzierte Gesang von Keith Murray, der eher den Gepflogenheiten des Genres gerecht werden will als tatsächlich Inhalte (oder gar Emotionen) transportieren.
Ständig hat man den Eindruck, Murray und Cain würden davor zurückschrecken, sich ganz und gar zu diesen Liedern zu bekennen, oft klingen We Are Scientists hier wie eine zurückhaltende Version der Kaiser Chiefs, und das braucht wirklich kein Mensch. So ganz kann man das Nicht-Zünden dieser Platte freilich auch damit nicht erklären. Was fehlt, ist das gewisse Etwas. Im französischen Fernsehen nennt man das wohl: je ne sais quoi.
Ironie im Quadrat: We Are Scientists covern Take My Breath Away (nicht auf dem Album).
httpv://www.youtube.com/watch?v=9PjDFVFGpes