Künstler | Diverse | |
Album | What The Hell Are You Doing? | |
Label | Full Time Hobby | |
Erscheinungsjahr | 2014 | |
Bewertung |
„Wir haben Millaphon Records extra in Zeiten gegründet, in denen das sonst keiner macht und die Musikindustrie jammert.“ Das hat Mehmet Scholl gesagt, ehemaliger Fußball-Nationalspieler (und Schöpfer der wunderbaren Lebensweisheit „Da, wo Britpop gespielt wird, sind immer die schönsten Mädchen.“), als er 2011 mit zwei Freunden seine eigene Plattenfirma ins Leben gerufen hat. Vier Acts sind mittlerweile bei Millaphon Records unter Vertrag, die aktuellste Veröffentlichung ist der Soundtrack zum Marcus-Rosenmüller-Film Beste Chance. „Unser Ziel ist: Wir wollen es anders machen als die großen Labels“, erklärt Scholl.
Natürlich ist es genau dieses Credo, das auch bei Full Time Hobby über allem steht. Die Londoner sind freilich schon ein Stück weiter als das Label von Mehmet Scholl: In diesen Tagen feiert Full Time Hobby seinen zehnten Geburtstag, als Präsente gibt es ein paar Jubiläums-Shows sowie die wunderbare Doppel-CD What The Hell Are You Doing? mit einem Artwork von David Shrigley und einigen akustischen Highlights aus dem Oeuvre.
Die Ausgangsidee war übrigens durchaus ähnlich wie Scholls Ansatz: Full Time Hobby wollte bei seiner Gründung bewusst antizyklisch sein, und so ist auch der Name dieser Compilation zu erklären. “’What The Hell Are You Doing?’ It’s something that has probably been asked of anyone starting an independent label over the last ten years”, sagt Nigel Adams, einer der beiden Label-Gründer. “Certainly there has never been a less financially rewarding or glamorous time to launch a label as the music industry continues to barrel on into the unknown. But for most of us doing it, running an independent label is still the most rewarding, challenging and enjoyable role we could be in.”
Am Beginn von What The Hell Are You Doing? steht die Band, die auch für die erste Full-Time-Hobby-Veröffentlichung überhaupt verantwortlich war. In Alive With Pleasure von Viva Voce trifft Synthie-Horror-Rock auf putzigen Mädchenpop und ein Space-Gitarrensolo; das klingt auch zehn Jahre später durchaus noch spannend. In den folgenden 24 Tracks reicht die Bandbreite von Rabaukentum (White Denim, eine der bekanntesten Bands der Firma, ist mit Let’s Talk About It vertreten) über Country-Nähe (Micah P Hinson mit When We Embraced) und ein gefühltes Sixties-Beat-Revival (Hooded Fang mit Tosta Mista) bis hin zu elektronischen Instrumentals (Punch von Seams).
Ähnlich wie die Vorbilder wie Elektra oder, auf der anderen Seite des großen Teichs, Creation erweist sich dabei auch Full Time Hobby als eine Plattenfirma, deren Veröffentlichungen man im Prinzip blind kaufen kann. Nicht nur wegen des hohen Qualitätslevels, das auch What The Hell Are You Doing? beweist. Sondern auch, weil das Label trotz der stilistischen Vielfalt durchaus ein musikalisches Profil entwickelt hat.
Zwei Spielarten erweisen sich dabei als die wichtigsten Säulen: Es gibt viel auffallend intelligente Rockmusik, gerne mit den Tendenz ins Abgefahrene wie beispielsweise von Malcolm Middleton (We’re All Going To Die), Fujiya & Miyagi (Knickerbocker) oder Pinkunoizu (Moped). Und es gibt viel auffallend entspannten Pop, gerne mit Tendenz zur etwas opulenteren Instrumentierung. Die vielleicht schönsten Beispiele dafür kommen auf dieser Compilation von Erland & The Carnival (Trouble In Mind), Diagrams (Antelope) und Tunng (Bullets).
Natürlich sind auch die „Stars“ des Labels vertreten. The Hold Steady haben es mit ihrem 2008er Album Stay Positive immerhin auf Platz 15 in den UK-Charts und auf Platz 30 in den USA geschafft. Hier steuern sie mit dem feuchtfröhlichen Massive Nights den Höhepunkt bei. Platz 15 mag dabei nicht allzu beeindruckend sein als Bestwert einer zehnjährigen Arbeit. Aber Massive Nights ist dafür ein Lied, das Freundschaften besiegeln, gute Partys zu legendären Partys machen und Leben retten kann. Und außerdem ist Full Time Hobby eine Herzensangelegenheit, die Autonomie ist heilig und Verkaufszahlen sind Nebensache. Mehmet Scholl darf dieses Indie-Bekenntnis noch mal erklären: „Es geht bei uns nicht darum, einen großen Hit zu landen, sondern Bands auf ihrem Weg zu begleiten. Der Künstler steht im Vordergrund.“
Auch dabei: The Last Of The Melting Snow von der Leisure Society.
httpv://www.youtube.com/watch?v=9MhHXAIGhQQ