Künstler | Whitney | |
Album | Light Upon The Lake | |
Label | Secretly Canadian | |
Erscheinungsjahr | 2016 | |
Bewertung |
Wer es nicht altmodisch mag, der sollte vielleicht besser einen Bogen um Whitney machen. Wer allerdings beim Gedanken an The Band, die das Duo als wichtigen Einfluss benennt, oder George Harrison, der in etlichen Songs von Light Upon The Lake im Geiste anwesend zu sein scheint, in Verzückung gerät, der hat hier vielleicht die Lieblingsplatte seines Sommers gefunden. Das morgen erscheinende Album beginnt mit No Woman, als müsse erst jemand die Staubschicht wegpusten, die darauf liegt, um die Schönheit und Zärtlichkeit freizulegen, die darunter wartet. Das passiert dann auch, in diesem Auftaktsong und den neun folgenden Tracks auf Light Upon The Lake.
Reichlich unmodern ist auch die Entstehungsgeschichte dieses Debütalbums. Schlagzeuger und Sänger Julien Ehrlich war früher bei Unknown Mortal Orchestra und stieg dann bei den Smith Westerns ein, wo er auch Gitarrist Max Kakacek begegnete. Nachdem diese Band hinüber war, fanden die beiden zunächst als Mitbewohner in Chicago wieder zusammen, dann als Leidensgenossen, als sie beinahe gleichzeitig das schmerzhafte Ende einer Beziehung zu verkraften hatten. Schließlich als Musiker, die jedoch eher zum Spaß an gemeinsamen Ideen arbeiteten. “We approached it as just a fun thing to do. We never wanted to force ourselves to write a song. It just happened very organically. And we were smiling the whole time, even though some of the songs are pretty sad”, sagen sie.
In der Tat klingt ihr Debütalbum – aufgenommen auf analogen Gerätschaften mit Jonathan Rado (Foxygen) – fast durchweg, als liege ein Filter aus Optimismus und Nostalgie über allem. Dave’s Song zeigt, dass Ehrlich eindeutig Enttäuschung, Trauer und Schmerz kennt, sich aber weigert, daraus Gefühle wie Wut, Frustration oder Verzweiflung werden zu lassen. Wenn er in The Falls mit seiner Helium-Stimme die Zeile „Oh dear, don’t you let me go“ singt, hat diese Bitte nicht das drohende „Überlege bloß, wie schlimm dann alles wäre!“ im Blick, sondern eher das kosntruktive „Schau doch, wie schön wir es haben!“
Polly wird elegant und schön, ohne seicht zu sein. Der Titelsong Light Upon The Lake wirkt, als singe Brian Wilson eine Komposition von Paul McCartney. Das wohlig-heitere Golden Days macht deutlich, was Julien Ehrlich meint, wenn er sagt, die Lieder von Whitney speisten sich in erster Linie aus echten Gefühlen (“We wanted them to have a part of our personalities in them. We wanted the songs to have soul.”). Red Moon erweist sich als instrumentaler Jazz-Ausflug, On My Own zeigt mit seinem spannenden Arrangement, dass Whitney auch die Lust auf Opulenz kennen – live sind sie mittlerweile meist als Sextett unterwegs.
Dass der Bandname klingt, als habe man es hier mit einer einzigen Persönlichkeit zu tun, ist dabei beabsichtigt. Whitney haben Ehrlich und Kakacek ihre Muse genannt, ein imaginäres drittes Bandmitglied, als sie mit der Arbeit an diesen Liedern begannen. “We were both writing as this one character, and whenever we were stuck, we’d ask: What would Whitney do in this situation?“, erklärt Max Kakacek. „We personified the band name into this person, and that helped a lot. We wrote the record as though one person were playing everything. We purposefully didn’t add a lot of parts and didn’t bother making everything perfect, because the character we had in mind wouldn’t do that.”
Gerade aus diesem Gefühl von Spontaneität, Unmittelbarkeit und Einigkeit in Sound und Aussage bezieht Light Upon The Lake einen großen Teil seines Reizes. Es ist, auch als Breakup-Album, eine sehr romantische Platte, die von der Kraft des Träumens weiß, am besten beflügelt durch einen Song. No Matter Where We Go ist vielleicht der beste Beleg dafür, als Rock’N’Roll in einer Kinderzimmer-Ausgabe. Es ist genau deshalb kein bisschen schlimm, dass Ecken und Kanten, Sex und Gefahr hier durch das pure Hineinfatasieren in ein halbwegs unschuldiges Abenteuer ersetzt werden. Und Follow, der Schlusspunkt des Albums, der Ehrlichs Großvater gewidmet ist, unterstreicht noch einmal die größte Stärke von Whitney: Sie sind auf magische Weise versöhnt mit Vergangenheit und Zukunft.
Das ist dann wohl eine Filmrolle: Das Video zu Golden Days.
Whitney – Golden Days (Official Video) von scdistribution
Demnächst gibt es Konzerte von Whitney bei uns.
19.06.2016 – Hamburg – Molotow
20.06.2016 – Berlin – Sommerloft
23.06.2016 – Münster – JuWi-Fest