Künstler | Yorkston/Thorne/Khan | |
Album | Everything Sacred | |
Label | Domino | |
Erscheinungsjahr | 2016 | |
Bewertung |
„Unsere Einflüsse kamen von allen Seiten. Wir hörten uns alle möglichen Arten von Musik an und waren nicht auf Folk festgelegt. Als Ravi Shankar in Edinburgh gastierte, gingen wir hin. Wir hatten viele merkwürdige Platten mit traditioneller Musik aus Bulgarien und sonst woher. Wir mochten all diese Musiken“, erinnert sich Mike Heron, Gründungsmitglied der Incredible String Band, im Interview mit Folker an die Entstehung der Gruppe, die – vor 50 Jahren – zu Pionieren des Psychedelic-Folk werden sollte.
Es ist dieser Gedanke, auf den sich Yorkston/Thorne/Khan berufen, genauso wie auf eine noch viel ältere Tradition. Wenn Menschen aufeinandertreffen, die ein Instrument spielen, und zwar sehr gut, und dann gemeinsam musizieren, dann sollte sich überhaupt nicht erst die Frage stellen, ob ihre verschiedenen Einflüsse, Klänge und Stile zusammenpassen. Es ist Musik, also wird sich eine Harmonie ergeben – das ist der Glaube, dem sie folgen und der auf ihrem am Freitag erscheinenden Debütalbum Everything Sacred auf erstaunliche Weise bestätigt wird.
Wenn man das weiß, erscheint die Zusammensetzung des Trios auch gar nicht mehr so ungewöhnlich. Da haben wir: James Yorkston, Schotte, an der Steel Guitar im Einsatz und als klassischer Singer-Songwriter sozialisiert. Suhail Yusuf Khan, Inder, der höchst virtuos die Sarangi spielt, ein Saiteninstrument, das sich irgendwo zwischen Geige und Bratsche einordnen lässt. Jon Thorne, Engländer, der Bass unter anderem bei den Elektro-Großmeistern von Lamb oder für Badly Drawn Boy gespielt hat. “Playing together as Yorkston/Thorne/Khan, we tackle a wide array of different sounds and songs. Alongside pieces of our own, there’s a fair chunk of improvisation“, versucht sich James Yorkston an einer Zusammenfassung von Everything Sacred. „Jon’s jazz back-ground definitely comes to the fore, as does Suhail’s devotional singing and outstanding sarangi playing. I just do my best to keep up…”
Mit Jazz oder Weltmusik hat das ein paar Schnittmengen, schnell tritt auf Everything Sacred aber ein viel tieferer gemeinsamer Kern zutage, was auch daran liegt, dass hier kein Instrument erklingt, das nicht mindestens ein Vierteljahrtausend alt sein könnte. Der Sufi Song ist typisch dafür: Wie so oft auf diesem Album erklingen nur Gitarre und Stimme und Sarangi, aber das wichtigste Instrument ist ohnehin das Feuer der Interpretation. Little Black Buzzer, eine Coverversion von Ivor Cutler, erweist sich als Duett zwischen James Yorkston und der irischen Sängerin Lisa O’Neill, in dem beide auf eine geradezu historisierte Form von Gesang setzen, dann folgt so etwas wie ein Scat von Suhail Yusuf Khan.
Song For Thirza, die zweite Coverversion (das Original stammt von Lal Waterson) wirkt ein wenig, als habe Bono den Minnesang entdeckt. Vachaspati/Kaavya bleibt ein instrumentales Zwischenspiel. Wenn im Titelsong Everything Sacred nach einer Minute der Gesang von James Yorkston einsetzt, kann man das gut für einen Track von Peter Gabriel halten – und danach erst recht. Broken Wave könnte als konventionelle britische Folkballade durchgehen, wäre da nicht eine Strophe, die Khan in seiner Muttersprache singt.
Ein Höhepunkt ist der Knochentanz gleich zu Beginn von Everything Sacred. Das Lied ist fast 14 Minuten lang und setzt zunächst auf eine verträumte Folk-Gitarre im Hintergrund und das höchst ausdrucksstarke Spiel der Sarangi im Vordergrund. Man muss das spannend finden und man könnte es als im Wortsinne unerhört bezeichnen, gäbe es da nicht schon The Velvet Underground, die mit der Viola von John Cale ganz ähnliche Experimente angestellt haben. Die Sarangi ist hier manchmal ein Maler, der Bilder entwirft, manchmal ein Schriftsteller, der eine Geschichte schreibt, manchmal ein Magier, der die Zuhörer in Trance versetzt. Wenn nach knapp acht Minuten der Hindi-Gesang von Khan hinzukommt, wirkt er fast wie Lautmalerei.
Es ist diese Universalität der Musik, die sich als größte Stärke von Yorkston/Thorne/Khan herausstellt. Man kann nur staunen, wie leicht die einzelnen Elemente zueinander finden, wie ein sehr eigenes Klangbild entsteht, das seine Wirkung fast intuitiv entfaltet, obwohl der Hörer keinerlei Übung im Umgang damit hat. Auch im Albumschlusspunkt Blues Jumped The Goose zeigt sich das: Man braucht keinen Text, in welcher Sprache auch immer, um zu erkennen, dass dies ein Lied über die Trauer ist.