Künstler | 1000 Gram |
Album | Ken Sent Me |
Label | Fixe Records |
Erscheinungsjahr | 2012 |
Bewertung | ***1/2 |
Schweden und Deutschland? Und auch noch Berlin? Da war doch was! Genau: ein legendäres Fußballspiel, in dem die einen erst leichtfüßig, dann unerbittlich, später arrogant und schließlich geschockt waren, während die anderen erst ehrfürchtig, dann gelähmt, später hoffnungsvoll und schließlich freudetrunken waren. Am Ende stand es 4:4.
Bei 1000 Gram sieht die Rollenverteilung etwas anders aus, obwohl hier Deutschland, Schweden und Berlin ebenfalls die wichtigsten Eckpunkte sind. In Berlin (genauer gesagt: im Chez Chérie Studio in Neukölln) wurde dieses Debütalbum eingespielt. Aus Berlin kommt Frontmann Moritz Lieberkühn. Und in Berlin verliebte er sich vor fünf Jahren in die Schwedin Anna Roxenholt, die bei New Found Land spielt und mittlerweile seine Ehefrau ist. Lieberkühn folgte ihr nach Göteborg, und dort lernte er drei Musiker kennen, die nun zu 1000 Gram gehören: Alexander Simm (Gitarre), Jacob Öhrvall (Bass) und Joel Wästberg (Schlagzeug).
“Ich war eines Abends auf Jacobs Examenskonzert, bei dem auch Alex und Joel mitspielten. Dieses Konzert rangiert bis heute sehr weit oben auf der Liste meiner Lieblingskonzerte und ich wusste, dass ich meine Band gefunden hatte”, erinnert sich Lieberkühn an die Initialzündung zur Gründung von 1000 Gram. Noch ein Zufall hatte entscheidenden Einfluss: Moritz Lieberkühn, bis dahin eher als folkiger Singer-Songwriter unterwegs, hatte seine akustische Gitarre nicht mit nach Schweden gebracht. Als er eine Song-Idee aufnehmen wollte, griff er „seit Jahren mal wieder zur E-Gitarre und nachdem ich den ersten Entwurf eingespielt hatte, und diesen mit Bass und Schlagzeug unterlegte, wurde mir klar, dass ich in Zukunft wieder mehr Krach machen wollte und dafür eine Band brauchte“.
Das Ergebnis trägt den Titel Ken Sent Me und ist eine quasi prototypische Indierockplatte, die nicht mit einem hippen Image oder einer allzu aufregenden Entstehungsgeschichte glänzen kann, sondern nur davon lebt, dass sie gut ist. Irgendwo zwischen Two Door Cinema Club und Mumm-Ra, Bombay Bicycle Club und Phoenix hat das Quartett ein Album hingelegt, das niemanden umhauen wird, aber das womöglich viele Menschen trotzdem ins Herz schließen werden.
Bring Your Lantern ist zum Auftakt erfreulich zackig, hat einen guten Beat und den beinahe putzigen Gesang von Moritz Lieberkuhn. Come Back To Me ist danach filigran und doch schmissig, auch einige der anderen Songs setzen auf eine derart subtile Spannung: Das meisterhafte Battles To Come beispielsweise ist gleichermaßen roh und sanft, wie man das auch bei Nada Surf oder den Shins schätzt. I Don’t Think So, mit Unterstützung von Anna Roxenholt, schafft es, trotz seines maschinellen Beats schläfrig zu klingen. In Push Someone trifft Folk-Picking auf eine New-Order-Gitarre und ein Höchstmaß an Eleganz. Cut Me Some Slack setzt auf Sprechgesang, eine feine Beschleunigung im Refrain und am Ende auf einen kleinen Chor.
We Ain’t Waiting ist vielleicht das beste Beispiel dafür, wie Ken Sent Me funktioniert: einfach eine gute Melodie, ein guter Punch und viele gute Ideen. The Sea ist wunderbar heiter, Steps Into Unknown Territory schwebt auf einer Wolke aus Melancholie, Make A Move klingt, als wären die Smiths zu einer Karibik-Kreuzfahrt aufgebrochen, so ähnlich wie Too Far From Reason würde es klingen, wenn Kettcar auf Englisch singen und sich dabei ihr Herzblut und ihren Vorwärtsdrang bewahren würden.
In Kent Sent Me steckt ganz viel Zurückhaltung, die nie zur Langeweile wird. Ganz viel Eingängigkeit, die nie zur Anbiederung wird. Ganz viel Wehmut, der nie zu Larmoyanz wird. Und ganz viel Souveränität, die nie zur Selbstgefälligkeit wird.
Der Clip zu That’s How We Love wirft die Frage auf, was die StVO eigentlich zum Videosdrehen während des Fahrradfahrens sagt:
httpv://www.youtube.com/watch?v=EbvZmlevKgU