A Camp – „Colonia“

Künstler*in A Camp

Nina Persson gibt wieder das elegante Opferlamm.
Album Colonia
Label Reveal Records
Erscheinungsjahr 2009
Bewertung

Schon bei den Cardigans ging es verdammt oft um das Design. Geschmackvolle Plattencover, tolle Outfits, stilvolle Videoclips: Von Beginn an waren die Schweden eine Band aus einem Guss – und mit strengen ästhetischen Prinzipien.

Dass Sängerin Nina Persson mit ihrem Nebenproject A Camp eigentlich weg von dieser Herangehensweise wollte, ist nun fast putzig ironisch. „Die Songs der Cardigans sollen immer sehr clever sein. Ich konzentriere mich beim Schreiben eher auf meine Gänsehaut“, hat sie dem Rolling Stone einmal den Unterschied zwischen Haupt- und Nebenjob erklärt. Doch auf dem zweiten A-Camp-Album Colonia rückt sie wieder so nah an die (zuletzt ebenfalls ruhiger und akustischer gewordenen) Cardigans heran, dass man beides kaum noch voneinander unterscheiden kann. Denn was zuletzt für die Cardigans galt, greift nun auch für Colonia: Es geht hier nicht um Botschaften, Rhythmen oder Songs. Es geht um Atmosphäre.

Colonia ist der perfekte Soundtrack für einen Sonntag im Herbst. Für jene, die ihr Fahrrad nach einem dämlichen Sturz nach Hause schieben müssen, aber froh sind, sich nicht ernstlich verletzt zu haben. Oder für alle, die sich auf einem Segelboot treiben lassen – weg von einer Chance, der sie nachtrauern.

Es gibt extrem eleganten, gerne opulenten Pop, der gerne mit sich selbst spielt, doch es nie wagen würde, dem Weg direkt ins Ohr etwas entgegen zu stellen. Nina Persson kann eben nicht raus aus ihrer Haut. Sie hat nun einmal diese Stimme, die sich bedingungslos einschmeichelt und dennoch vom Verstoßenwerden weiß. „Ich mache mich in meinen Texten ständig zum Opferlamm“, sagt sie – und diese Rolle dominiert auch diesmal.

Im barock-bitterbösen The Crowning als eine von vielen, im zarten Chinatown als Fremde. Im wunderhübschen Stronger Than Jesus, dem fatalistischen It’s Not Easy To Be Human und dem herrlich trägen Rausschmeißer The Weed Hat Got There First als ultimativ, existenziell, absolut Ernüchterte. Im tristen Bear On The Beach als Beobachtende und Seelenverwandte, im orchestralen Love Has Left The Room auf der Suche nach Versöhnung und Trost. Im herrlich gesungenen I Signed The Line, einer Art Nachfolger für das grandiose I Can Buy You, als ewig Zweifelnde.

Das alles ist natürlich so bezaubernd wie eh und je, kann den entscheidenden Widerspruch zwischen Seelenstriptease und Klangtapete aber nicht immer auflösen. Eine echte, perfekte Form für ihre Pein findet Nina Persson nur zweimal: Golden Teeth And Silver Medals ist ein herzzerreißendes Duett mit Nicolai Dunger. Und My America zeigt sie ein einziges Mal mit erhobenem Haupt und einem kleinen, wissenden Lächeln auf den Lippen – eine Pose, die ihr ganz ausgezeichnet steht.

Wenn das ein Brautkleid ist, dann sollte sie sich bei diesem Text die Sache mit dem Heiraten echt nochmal überlegen: Der Clip zu Stronger Than Jesus:

httpv://www.youtube.com/watch?v=wUVMpluF7kQ

A Camp bei MySpace.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

Alle Beiträge ansehen von Michael Kraft →

Ein Gedanke zu “A Camp – „Colonia“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.