Künstler | Aerosmith | |
Album | Nine Lives | |
Label | Columbia | |
Erscheinungsjahr | 1997 | |
Bewertung |
Sie können es nicht lassen mit diesen seltsamen Intros. Diesmal: Katzengejammer, ein Schrei von Steven Tyler, die ersten Takte von Nine Lives. Die Metapher ist nicht schwer zu verstehen: Wir sind immer noch da, und wenn ihr uns tot sehen wollt, müsst ihr euch schon ein bisschen was einfallen lassen.
Womit wir bei der Frage wären, warum ich mir eigentlich immer noch Aerosmith-Alben kaufe. Die Frage beantwortet das zweite Stück, Falling In Love (Is Hard On The Knees). Aerosmith sind nicht nur noch da, sondern sie sind auch immer noch eine gute Boogie-Rock-and-Roll-Band. Ein herrlicher Klischee-Text wie aus dem „Wie schreibt man radiotaugliche Stücke für amerikanische Bands“-Lehrbuch. Sometimes I´m good, but when I´m bad I´m even better.
Musikalisch hat sich seit Pump nicht viel geändert, Aerosmith sind immer noch eine grandiose – naja, in den 1980ern hat man Powerballaden-Band dazu gesagt. Hole In My Soul hat einen perfekten Refrain, die Verzweiflung wirkt immer noch echt. Ein bisschen ist es wie bei einem Fernseh-Krimi: Alles ist genau durchschaubar, man weiß schon, welcher Teil als nächstes kommt, aber dennoch bleibt es spannend, weil man ja sehen will, ob man Recht hat.
Dennoch bleibt, wie auf fast allen Aerosmith-Alben das Problem des Qualitätsgefälles. So ist Taste Of India leider eher unscharf ausgefallen. Eine halborientalische Melodie und eine Sarangi vertragen sich nunmal nicht mit amerikanischem Mainstream-Rock. Doch auf Authenzität haben die Amis ja selten Wert gelegt. Aerosmiths Stärken liegen woanders, nämlich in Tracks wie Full Circle: geradeaus und ohne Schwurbel, dazu ein kneipenseliger Mitsingrefrain. Something´s Gotta Give erinnert dann wieder an die schwächeren Stücke auf Get A Grip, hat also gute Ansätze, die aber nicht ganz ausgearbeitet wurden und versucht, sich im Sound zu retten, doch all die Gimmicks und Effekte helfen nichts.
The Farm handelt von Großstadtstress und Reizüberflutung und ist entsprechend überladen. I feel like New York City, take me to the farm. Ain´t That A Bitch ist viel inspirierter, mit jeder Menge Seele gesungen und gespielt. Herrlich, wie Steven Tyler das B beim „bitch“ verzögert.Dann gehen Aerosmith kurz Punk. Zwar nicht Clash, aber immerhin Crash. Punkig ist aber nur der temporeiche Anfang. Dann versauen zu viele Gesangseffekte alles, 4:25 sind viel zu lang.
Ich kann mich an ein Aerosmith-Unplugged erinnern. Eher dröge Sache, mit viel Mundharmonika und bunten Tüchern, so um 1990. Die Show zeigte aber eins: Die besseren Songs von Tyler und Perry bestehen auch fast ohne Produktions-Politur. Weniger ist mehr, wie beim Intro von Kiss Your Past Goodbye. Gleiches gilt für das fast spartanisch gehaltene Pink. Natürlich denke ich bei diesem Song auch immer gleich an das wunderbare Video. Sehr stylisch. Offensichtlich sollten Aerosmith ihre Plattencover endlich mal von den selben Leuten designen lassen, die auch ihre Videos gestalten. Sie waren in puncto Plattenhüllen ja noch nie sehr stilsicher, aber das Artwork von Nine Lives übertrifft alle Hässlichkeits-Rekorde.
Falling Off klingt erstaunlich unfertig, fast wie ein Demo. Das liegt an zwei Sachen: 1. der Gesang von Joe Perry (dessen Metier nunmal eher die Gitarre ist). 2. Hier gibt es nur Gitarre, Schlagzeug, Bass und Gesang. Dabei hätte gerade dieser (bis auf das Break sehr schwachbrüstige) Song ein bisschen Aufmotzen mit Streichern, Keyboards oder Bläsern gebrauchen können. Fast genauso verzichtbar ist Attitude Adjustment.
Bei Fallen Angels wundert man sich zunächst, dass es nicht schon längst einen Aerosmith-Song gibt, der so heißt. Dann wundert man sich, dass der Song nicht als Single ausgekoppelt wurde. Denn es ist wieder einer dieser patentierten Schmachtfetzen. Wenn mich jemand beauftragen würde, eine Aerosmith-Parodie zu komponieren, dann würde sie wohl so klingen. Und den Text könnte ich sogar unverändert übernehmen…
Das erwähnt schicke Video von Pink will ich hier natürlich niemandem vorenthalten:
httpv://www.youtube.com/watch?v=FGstUw2yYwQ
2 Gedanken zu “Aerosmith – „Nine Lives“”