Künstler | Annie | |
Album | Don’t Stop | |
Label | Totally | |
Erscheinungsjahr | 2009 | |
Bewertung |
In Zeiten, in denen das schwedische Produzententeam Xenomania etwa ein Drittel der Charts weltweit beherrscht, ist es schwierig, als weiblicher Popstar so etwas wie Individualität zu entwicklen. Ein Image, einen Wiedererkennungswert, irgendetwas, was darüber hinaus geht, nur die austauschbare Schönheit am Mikro und im Videoclip zu sein.
Das hat auch Annie schon bemerken müssen. Das durchaus bemerkenswerte Debütalbum der Norwegerinnen brachte ihr ein paar halbe Hits, machte aber letztlich nicht genug Eindruck. Die Plattenfirma ließ sie fallen. Und deshalb dauerte es fast ein Jahr, bis der seit Ende 2008 mehr oder weniger fertige Nachfolger Don’t Stop endlich in die Läden kam. Und, so viel sei vorweg genommen: Auch er wird die Welt nicht erschüttern.
Annie hat zwar wieder genau die richtigen Helfer zu Hand, um das alles enorm modern und extrem schick klingen zu lassen. Von den zwölf Songs auf Don’t Stop sind fünf aus dem Hause Xenomania, drei hat Paul Epsworth (unter anderem Bloc Party) produziert. Sie setzt auch wieder auf das Image, das schon bei Anniemal gut funktioniert hatte: Eine Stimme, die eigentlich nicht singt, sondern stets nur haucht (und dabei extrem sexy ist). Ein Look, der sie als Vamp mit Hirn stilisiert – die unwiderstehliche Mischung aus Blondinen-Klischee und grandiosen Ergebnissen in der Pisa-Studie. Und Texte, in denen sich Annie in der Regel als selbstbewusste, überlegene Frau zeigt.
Wer bei diesem Gesamtpaket an Robyn denkt, liegt gar nicht falsch. Doch wo Robyn es zuletzt auch auf Albumlänge geschafft hat, ein Werk aus einem Guss hinzulegen, bleibt hier vieles Stückwerk. Dem Titelsong geht ausgerechnet im Refrain die Luft aus. Das an Calvin Harris erinnernde I Don’t Like Your Band ist nicht halb so clever wie es gern sein möchte. Marie Cherie würde zwar, wie der NME richtig bemerkt hat, wunderbar auf einen Sofia-Coppola-Soundtrack passen, hat neben einer tollen Atmosphäre aber nicht viel zu bieten. Der Gag von The Breakfast Song hat sich schon abgenutzt, bevor die 190 Sekunden des Lieds rum sind.
Trotzdem gibt es hier natürlich genug, um weiter an Annie glauben zu können (oder gar von ihr zu träumen) – und um zu verstehen, wie sie seit ihrem Durchbruch vor fünf Jahren zur Vorreiterin einer ganzen Riege neuer Popstars von La Roux bis Little Boots werden konnte. Vor allem der Auftakt gibt Anlass zu kühnsten Hoffnungen. Der Opener Hey Annie mit luftigen Drums, bezaubernden Chören und einem Glockenspiel ist ein Volltreffer und erinnert an die letzten Glanztaten von Bloc Party. My Love Is Better ist ein Electro-Feger mit forderndem Bass und genau der richtigen Mischung aus Koketterie und Arroganz. Und auf Bad Times flüstert Annie noch ein bisschen höher als sonst, die Gitarre legt eine Fährte zu New Order.
Doch was fehlt, ist eine vernünftige Dramaturgie des Albums, eine Stimmung, ein roter Faden. Man wird den Verdacht nicht los, dass man hier mit einem anderen Tracklisting (oder der „Shuffle“-Taste) viel bessere Ergebnisse hätte erzielen können. Wie man hört, wurde die Reihenfolge der Lieder in der langen Warteschleife bis zur Veröffentlichung gleich mehrfach geändert. War wohl keine so gute Idee.
Mit Videos zum neuen Album hat es Annie erstaunlicherweise nicht so. Immerhin gibt es eine ziemlich beeindruckende Live-Version von Songs Remind Me Of You:
httpv://www.youtube.com/watch?v=jszzr4UpUWU
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