Apologies, I Have None – „London“

Künstler Apologies, I Have None

Apologies, I Have None vereinen Feuereifer und Finesse.
Apologies, I Have None vereinen Feuereifer und Finesse.
Album London
Label Uncle M
Erscheinungsjahr 2012
Bewertung

Punkbands sind immer am besten, wenn sie zwar das Ethos der drei Akkorde leben, in Wirklichkeit dann aber doch ein paar mehr beherrschen. Wenn sie nicht nur politische Traktate lesen, sondern gerne auch mal ein Gedicht. Wenn sie kein hohles „ohoho“ brauchen, um Mitgröl-Atmosphäre zu erschaffen, aber im richtigen Moment trotzdem gerne ein hohles „ohoho“ einzusetzen wissen. Wenn die größte Enttäuschung ihres Lebens nichts mit dem Niedergang des Kommunismus zu tun hat, aber eine Menge mit Liebeskummer.

Apologies, I Have None sind so eine Band. Die Vorstellung der Fakten überlasse ich gerne Dan Bond, denn besser als er es tut, kann man das Quartett nicht erklären: “I play guitar and sing. Josh plays guitar and sings. PJ plays bass and does big high harmonies and stuff that I have no hope of reaching and Joe plays drums and sings, although he doesn’t ever get a mic and you can never hear him sing”, sagt er im Interview mit I Live Sweat. “We’ve been a band for about four years, although a four-piece for only around two. We all live within a few miles of each other in London, but me and Josh have known each other for years before we started a band.”

London heißt, passend dazu, nun auch das Debütalbum des Quartetts, obwohl Apologies, I Have None (der Bandname entstammt einer Zeile in einem Song der kanadischen Harcoreband Grade) bereits ein Album in Eigenregie herausgebracht haben. Ohnehin mögen sie es, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und auf den altmodischen Weg zu Ruhm, Bewunderung und Einfluss zu setzen. „Playing as many shows as possible was our only real plan on getting bigger”, sagt Dan beispielsweise.

Die Live-Prägung hört man London ebenso an wie den Anspruch, keine Kompromisse zu machen, die gute Sache zu vertreten und alles selbst in der Hand zu haben. Die Texte sind kritisch, aber nicht verbissen, der Sound ist kraftvoll, aber nicht ohne Finesse. Im Opener 60 Miles ist das Schlagzeug an Wucht kaum zu überbieten, im Refrain steckt reichlich Feuereifer, und die Stimme lässt nicht nur ein bisschen an TV Smith denken. Die Leidenschaft, die in The 26 steckt (inklusive von Kraftausdrücken wie „shit“ und „fuck“), lässt sich kaum in Worte fassen, trotzdem beschränkt sich das Lied nicht auf Geknüppel. Still Sitting Tight, das ein wenig in die Nähe von The Gaslight Anthem rückt, hat einen sagenhaften Vorwärtsdrang, und selten dürfte das Wort „summer“ so wutgetränkt gesungen worden sein wie in Sat In Vicky Park.

Immer wieder wird die Urgewalt von London aber aufgebrochen. Clapton Pond beispielsweise beweist Mut zur Luftigkeit und setzt auf fein verschachtelten Gesang. Concrete Feet (in dem es das obligatorische „Ohoho“ gibt) wird gerade dadurch so mitreißend, dass es leicht gebremst ist. Die Komplexität von Holloway Or Anywhere lässt an Piebald denken, und am Schluss gibt es mit Long Gone noch einmal einen ebenso reifen wie packenden Track, der all die Stärken von Apologies, I Have None zusammenfasst.

Nur zwei Dinge fehlen, um aus London eine wirklich großartige Platte zu machen. Zum einen ist das Album ein Stückchen zu lang. Als Joiners & Windmills (das am Ende noch sehr beachtlich die Kurve kriegt) als achtes Lied der Platte beginnt, ist plötzlich mächtig die Luft raus. Auch Foundations (leider kein Kate-Nash-Cover, sondern großes Klavierballadenkino des kleinen Mannes im Stile von The Enemy) zündet danach nicht richtig. Zum anderen gibt es hier viele gute Lieder, aber kein fantastisches: Es fehlt ein Hit, eine Hymne. Trotzdem: Für ein Debüt ist London aller Ehren wert. Und live sind Apologies, I Have None mit Sicherheit ein fulminantes Spektakel.

Vinyl, Bowling und Verzweiflung spielen die Hauptrolle im tollen Video zu Clapton Pond:

httpv://www.youtube.com/watch?v=yGY1m-pnHtM

Homepage von Apologies, I Have None.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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