Künstler | Bakkushan | |
Album | Kopf im Sturm | |
Label | EMI | |
Erscheinungsjahr | 2012 | |
Bewertung |
Es gibt für sie zwar noch keine Rettungsschirme. Aber Plattenfirmen sind in diesen Zeiten mindestens genauso knauserig wie spanische Banken. Längst vorbei sind die Zeiten, in denen sie mal eben 7 Millionen Dollar für einen Videoclip ausgeben konnten, um ein sehr schlechtes Lied von Michael und Janet Jackson doch noch irgendwie interessant erscheinen zu lassen (Scream im Jahr 1995). „Was für eine Verschwendung! Mit dem Geld könnte man schätzungsweise 25.000 Filesharer abmahnen!“, wird sich heute wohl manch ein Label-Boss bei diesen Größenordnungen denken.
Umso erfreuter darf man wohl sein, wenn man als junge Band in diesen Tagen die volle Rückendeckung einer großen Plattenfirma hinter sich weiß. So wie Bakkushan. Morgen veröffentlicht das Quartett bei Emi sein zweites Album Kopf im Sturm, und die Weichen sind generalstabsmäßig gestellt, um daraus eine große Nummer zu machen. Mit einem Videotagebuch wurde Lust auf die Platte gemacht, bei tape.tv gibt es exklusive Vorab-Einblicke in das Album, im Mai stellten Bakkushan die neuen Stücke bei vier Konzerten vor. Vor vier Wochen bekamen sie eine neue Website verpasst, in den nächsten Tagen stehen kleinere Festivals an, im Oktober startet die Tour.
Keine Frage: Bakkushan (der Bandname ist ein japanischer Slangausdruck, der eine Frau bezeichnet, die von hinten besser aussieht als von vorne) stehen genau an dem Punkt, an dem ihre Karriere explodieren soll. Die 2007 aus Studenten der Popakademie Mannheim hervorgegangene Band hat durchaus hart auf diesen Punkt hingearbeitet. Nach DIY-Anfängen (Bakkushan zählen unter anderem Biffy Clyro, die Foo Fighters und Bosse zu ihren Vorbildern) erreichte das Debütalbum im Jahr 2010 (auch schon bei Emi) immerhin fünfstellige Verkaufszahlen. Die Single Baby, du siehst gut aus war im Soundtrack zum Film Vorstadtkrokodile 2 zu hören, Bakkushan (die mittlerweile in Berlin leben) vertraten Baden-Württemberg vor zwei Jahren zudem beim Bundesvision Song Contest.
Dazu kamen unzählige Konzerte, und nun ein neues Album, das wie der Vorgänger von Moritz Enders (Donots, Revolverheld, Livingston) produziert wurde und sich noch ein bisschen mehr in Richtung Stadionrock bewegt. Zunächst wirkt das freilich wie ein Schuss in den Ofen: Der Opener Vorhang auf hat ein brutales Riff, durchaus im Sinne von Rage Against The Machine, aber einen flauschigen Refrain. Das mag als Startschuss zum Konzert (so ist es mit Zeilen wie „Und es beginnt / Vorhänge auf“ offensichtlich konzipiert) noch leidlich funktionieren, wirkt auf Platte aber arg verkrampft.
Kopf im Sturm wird dann aber schnell besser. Die Single Nur die Nacht ist ein sehr schönes Liebeskummer-Lied, das kraftvolle Das ist für euch ist wie gemacht für Festivals, eine Hymne in bester Sportfreunde-Stiller-Manier. Der letzte Mensch findet eine schöne Form für das unbestimmte Unwohlsein, das das Teenager-Leben ausmacht.
Genau dieser Ansatz, der unbedingte Identifikation vorlebt und jedes Gefühl zugleich plakativ verkürzt, funktioniert auch im besten Song der Platte: Du nervst weil Fuck You hat ein wildes Riff, das an Gay Bar von Electric Six erinnert, und kümmert sich nicht im Geringsten darum, seine Wut in so etwas wie Logik oder Grammatik pressen zu lassen. Das klingt trotzdem kein bisschen lächerlich, sondern so authentisch nach Teenage Angst im T-Shirt-Slogan-Format, wie das in Deutschland sonst nur Die Ärzte hinkriegen.
Was Sänger und Gitarrist Daniel Schmidt, Bassist Christian Kalle, Gitarrist Robert Kerner und Schlagzeuger Jan Siekmann hier veranstalten, ist niemals wirklich schlecht, immer höchst professionell und durchaus mit dem nötigen Herzblut gespielt. Man muss Frontmann Daniel Schmidt, der die Songs schreibt und Kopf im Sturm auch mit produziert hat, glauben wenn er sagt: „Wir halten es mit der Textzeile ‚Für die Sache brennen, die noch etwas zählt’ aus unserem Stück Das ist für euch. Wir lieben das, was wir tun, Musikmachen.“
Im eher zurückhaltenden Solang du schimmerst oder dem vergleichsweise erwachsenen Sollbruchstelle merkt man das besonders. Ansonsten fehlt aber oft so etwas wie Identität. Beim Hören von Kopf im Sturm denkt man eher „hey, ist ja besser als gedacht“ als „Wow!“, die Platte lässt sich viel besser mit Attributen wie „kompetent“ oder „solide“ beschreiben als mit „aufregend“ oder „umwerfend“. Und in der zweiten Hälfte des Albums geht Bakkushan sehr deutlich die Luft aus. Insbesondere Parallel und 1000 Farben grau sind arg uninspiriert. Ich hasse die Liebe klingt wie Die Toten Hosen, wenn sie versuchen, reflektiert zu sein, und der Rausschmeißer Niemand warnt dich ist so hohl, dass man sogar an Unheilig denken muss.
Trotzdem stehen die Chancen nicht schlecht, dass Bakkushan sich mit dieser Platte ein gewaltiges Stück nach oben katapultieren. Sie haben den Willen, eine Menge zu tun für ihre Karriere, sie haben ein paar gute Songs dazu an der Hand, sie sehen gut aus in Videos (auch ohne 7-Millionen-Dollar-Budget), und sie haben für den Notfall ja noch die Möglichkeiten einer ambitionierte Plattenfirma in der Hinterhand. An den Poster-Wänden in den Kinderzimmern ist für sie sicher noch ein Platz, irgendwo zwischen Jupiter Jones und Silbermond.
Die Single Böse Mädchen feiern besser legten Bakkushan zwischen ihren beiden Alben vor:
httpv://www.youtube.com/watch?v=mGKljs9ssNM