Künstler | BAP |
Album | Halv su wild |
Label | Emi |
Erscheinungsjahr | 2011 |
Bewertung | *** |
Acht Sekunden lang besteht die Gefahr, dass diese Platte peinlich wird. „Hey, was geht ab“, lautet die erste Zeile, die Wolfgang Niedecken hier singt – und man muss befürchten, dass von nun an ein 60-Jähriger verkrampft auf jugendlich machen wird. Aber Halv su wild, der Titelsong des 17. BAP-Albums, zerstreut diese Bedenken dann sehr schnell. Mit einem beachtlichen Drive, einem eingängigen Refrain und einer erstaunlichen Frische.
Nicht nur mit diesem organischen, kernigen Sound ist Halv su wild typisch für das gesamte Album. Auch die entspannte Zuversicht, die bereits dem Auftakt innewohnt, zieht sich wie ein roter Faden durch diese 14 Lieder. „Ganz egal, was auch passiert / die Sonne geht auf“, heißt eine dieser Zeilen (alle Zitate von mir frei übersetzt aus dem Kölschen). „Vertrau auf das, was der neue Morgen bringt / bevor du in Selbstzweifeln versinkst“, fügt Wolfgang Niedecken dann noch an.
Immer wieder zeigen BAP diese Mentalität: Es bringt nichts, sich über das große Ganze den Kopf zu zerbrechen und darob zu verzweifeln oder angesichts all des Schlechten in der Welt gar zu kapitulieren. Stattdessen solle man das Glück des Moments genießen – und wenn es ein Problem gibt, einfach bloß an den nächsten Schritt denken, statt den Abgrund zu fürchten, der vielleicht irgendwo dahinter lauert.
„So ein Leben ist nicht schlecht / wenn auch nicht der Königsweg“, singt Niedecken in Et Levve ess en Autobahn, getragen von einem feinen Swing. Auch anderswo, immer wieder, findet er sich ab, fügt sich, begnügt sich. „Das ist schon okay / dass die Welt sich dreht / das ist schon okay so / dass es weitergeht“, heißt es in Chlodwigplatz, das als Reggae daher kommt. „Eigentlich war es ein gutes Jahr / eigentlich sollten wir dankbar sein“, ist die Erkenntnis in Noh all dänne Johre, der ersten Ballade des Albums. Dass es keinen Sinn macht, zurückzublicken und zu bereuen, macht Niemohls deutlich. Immerhin konzentriert die neue Bescheidenheit sogar auf ein einziges Wort.
Das sind durchaus erstaunliche (weil: konservative) Töne von Wolfgang Niedecken, doch er vermag es auf Halv su wild dank seiner äußerst feinfühligen Texte auch, so viel Demut nachvollziehbar zu machen. Für ’ne Moment lautete schon der Titel seiner vor drei Wochen erschienenen Autobiografie – Halv su wild ist die musikalische Entsprechung davon.
Diese Entspanntheit tut BAP auch musikalisch gut. Das Album bietet durchweg gute Rockmusik, der man die 60 Jahre niemals anmerkt, die Niedecken auf dem Buckel hat: Diese Musik könnte auch von Selig stammen, oder von Snow Patrol. Un Donoh ess dä Karneval vorbei ist ein schwüler Blues, den man fast sexy nennen könnte. Keine Droppe mieh hat bei Money For Nothing ganz genau zugehört. Woröm dunn ich mir dat eijentlich ahn? ist die Sorte Lied mitten aus dem Leben, nach der sich Ina Müller mittlerweile die Finger lecken dürfte. Das ruppige Karl-Heinz schickt Johnny B. Goode in die Eifel.
Je öfter man Halv su wild hört, desto klarer wird: BAP haben diesmal praktisch die legendären 12 Kölschen Lebensweisheiten vertont. „Et hät noch immer joot jejange“, heißt die dritte davon. Und das trifft auch auf Halv su wild zu.
Ein kurzes Porträt mit ein paar Eindrücken rund um die Entstehung von Halv su wild:
httpv://www.youtube.com/watch?v=11Lf174TRXo