Bastille – „Bad Blood“

Künstler Bastille

Schon das Cover zeigt: David Lynch war ein wichtiger Einfluss für "Bad Blood".
Schon das Cover zeigt: David Lynch war ein wichtiger Einfluss für „Bad Blood“.
Album Bad Blood
Label Virgin
Erscheinungsjahr 2013
Bewertung

Eine der wichtigsten Informationen über dieses Debütalbum erhält man auf den ersten Blick. Das Cover zeigt eine nächtliche Straße, beleuchtet von den Scheinwerfern eines Autos. Ein Mann in Jeansjacke scheint vor dem Auto wegzulaufen, das dieses Licht spendet. Jeder, der den Film gesehen hat, wird bei diesem Motiv an Lost Highway denken, das 1997er Meisterwerk von David Lynch. Das Cover von Bad Blood erinnert nicht zufällig an das Filmplakat: Dan Smith, der Mann, der hinter Bastille steckt, ist ein riesiger Fan von David Lynch.

Der Londoner wollte als Kind gerne Regisseur werden (oder zumindest Schriftsteller oder Journalist), und diesen Traum hört man Bad Blood deutlich an. Für jeden Song der Platte wollte Smith „eine eigene Geschichte mit eigener Atmosphäre und verschiedenen Sounds und Produktions-Elementen, darunter Aspekte der unterschiedlichen Genres und Stile, die ich mag: Hip-Hop, Indie, Pop und Folk“, sagt er. Das Vorbild dafür: Film-Soundtracks. Die können, wie er ganz richtig anmerkt, „breit gefächert sein, aber sie müssen durch den Film selbst zusammengehalten werden – und ich hoffe, das Album wird etwas Ähnliches, nur eben von meiner Stimme und meinem Songwriting umrahmt, so dass jedes Stück eine Szene und einen Teil aus einem größeren Bild darstellt.“

Das ist unbedingt gelungen. Immer wieder merkt man Bad Blood seine Experimentierfreude an, gerne scheint er auch mal über das Ziel hinaus zu schießen. Aber fast immer halten sehr gekonnte Melodien und vor allem sein leidenschaftlicher Gesang das Ganze zusammen. Das zeigt sich schon im ersten Track Pompeii: Es gibt einen Chor und mächtige Toms von so beeindruckender Größe, dass womöglich sogar Hurts meinen könnten, das sei ein bisschen zu dick aufgetragen. Aber wer so viel Enthusiasmus zeigt und einen so tollen Refrain hinbekommt (und als erste Zeile des Albums auch noch auf ein Pet-Shop-Boys-Zitat setzt), der darf sich das erlauben. Nicht zuletzt ist auch das Thema nichts weniger als passend für derlei Theatralik: Das Lied erzählt von einem Liebespaar aus dem antiken Pompeii, das nach dem Vulkanausbruch in der Asche gefangen und dann für alle Zeit vereint ist.

Der Titelsong klingt wie Depeche Mode in gut – da will jemand all das hinter sich lassen, womit er aufgewachsen ist und wodurch er geprägt wurde. Zugleich weiß dieser Jemand, dass es unmöglich ist (und wahrscheinlich auch nicht wirklich erstrebenswert), seine Wurzeln zu kappen. Das Lied „handelt davon, wie man sich von den Leuten entfernt, mit denen man aufgewachsen ist und wie bizarr es ist, dass vielleicht genau diese Leute einem geholfen haben, zu der Person zu reifen, die man schließlich geworden bist; und auch wenn man sie nicht mehr trifft, ist man in Wirklichkeit noch immer durch die gemeinsame Vergangenheit miteinander verbunden“, erklärt Dan Smith.

Diese Thematik taucht wenig später in These Streets noch einmal auf. „These streets are yours / you can keep them / I don’t want them / they pull me back and I surrender / to the memories I run from“, singt Dan Smith darin. Weight Of Living Pt. II gerät zwar peppig, handelt aber ebenfalls von der Schwierigkeit des Erwachsenwerdens, Icarus besingt zu donnernden Drums ausgerechnet die Perspektivlosigkeit der Jugend.

Es ist durchaus erstaunlich, dass man mit solchen Inhalten erfolgreiche Popsongs machen kann. Und erfolgreich sind Bastille (die Band heißt so, weil Dan Smith am 14. Juli geboren ist, dem Tag des Sturms auf die Bastille) definitiv: Ohne überhaupt ein Album veröffentlicht zu haben, hat die Band das KOKO in London bis auf den letzten Platz gefüllt und bereits zwei komplette UK-Touren gespielt, ebenfalls ausverkauft. Im UK erreichte Bad Blood bei seiner Veröffentlichung sofort die Spitze der Albumcharts.

Überraschend ist das auch, weil die Platte zwar oft pompös klingt, aber mit vergleichsweise geringem Aufwand aufgenommen wurde. „Im Prinzip haben wir in einem Studio von der Größe eines Schranks gearbeitet, ein Extrem kam zum anderen. Für die Produktion wollte ich unbedingt eine epische Instrumentierung mit Texten von intimen Geschichten oder Unterhaltungen kombinieren. Dieser Kontrast hat mich gereizt“, erklärt Smith. Einen extrem hohen Anteil am Gelingen des Albums habe Produzent Mark Crew gehabt, der bei Bastille neben Smith, Bassist Will Farquarson, Keyboarder Kyle Simmons und Drummer Chris „Woody“ Wood quasi als fünftes Bandmitglied gilt.

In der Tat beeindruckt Bad Blood immer wieder mit einer sehr originellen Produktion. Things We Lost In The Fire baut auf sehr effektvolle Pizzicato-Streicher. Overjoyed bietet eine reizvolle Kombination aus Computerbeats und Kopfstimme. Ein Cello sorgt in der Klavierballade Oblivion für eine Prise Extra-Eleganz. Der reduzierte Rausschmeißer Get Home, unter anderem inspiriert von Brett Easton Ellis‘ Geschichten über junge Leute, die sich im Hedonismus verloren haben, klingt wie ein Lied aus dem Nebel.

All diese sehr geschmackvollen Klanggewänder wären aber wertlos, wenn Bad Blood nicht so viele gute Popsongs enthielte. Flaws, die Debütsingle von Bastille, ist der beste davon: Ganz viel Meisterschaft steckt in diesem Stück, das ein wenig wirkt wie die Wombats, wenn sie sich die ganz große Euphorie verbieten. Auch Daniel In The Den zeigt, wie viel Substanz die Stücke auf Bad Blood haben: Wenn man sich den modernen Sound wegdenkt, könnte das glatt ein Lied von Billy Joel sein.

Und dann ist da ja noch ein Song namens Laura Palmer. Jaja: die zentrale Figur aus Twin Peaks, der Kultserie von, jaja, David Lynch. Nicht nur der Breitwandsound des Songs dürfte dem Regie-Meister gefallen, sondern auch das Thema, das kaum romantischer sein könnte: der Traum vom Ausbrechen und die Entschlossenheit, sich nicht mit einem 08/15-Leben zufrieden zu geben.

Boat People: Bastille spielen Flaws live auf einem Schiff:

httpv://www.youtube.com/watch?v=kPqUmhQjWqI

Bastille spielen demnächst Konzerte in Deutschland:

19.04.2013 Köln, Luxor

21.04.2013 Berlin, Festsaal Kreuzberg

22.04.2013 München, Strom

Homepage von Bastille.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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