Künstler | Beady Eye |
Album | Different Gear, Still Speeding |
Label | Beady Eye |
Erscheinungsjahr | 2011 |
Bewertung | **1/2 |
„Gonna stand the test of time / like Beatles and Stones„, singt Liam Gallagher in Beatles And Stones, dem vierten Lied auf dieser Platte. Er hat es längst geschafft. Oasis sind zu einem modernen Klassiker geworden, auch dank seiner Stimme, seiner Arroganz, seiner Hassliebe zu Oasis-Boss Noel Gallagher. Die Killers, Mando Diao oder die Arctic Monkeys berufen sich Oasis. Und als am Wochenende im österreichischen Tatort eine Hobbyband zu sehen war, da stand der Sänger dieser Band gebückt auf der Bühne, kaute von unten am Mikrofon und schüttelte dazu ein Tamburin. Vor Liam Gallagher gab es diese Pose nicht. Nun ist sie auf ewig ins popkulturelle Bewusstsein eingebrannt.
Der jüngere, schönere und irrere der Gallagher-Brüder hat also wenig zu gewinnen, aber viel zu verlieren, wenn er nach dem Ende von Oasis nun mit einer neuen Band weitermacht. Beady Eye sind im Prinzip Oasis ohne Noel (und mit einem neuen Drummer, aber der Schlagzeughocker war zuletzt ohnehin ein Schleudersitz bei den Jungs aus Manchester).
Von Beginn an steht über Different Gear, Still Speeding deshalb die Frage: Was will Liam damit beweisen? Von Beginn an droht die Gefahr, dass hier jemand einen Egotrip auslebt (im Booklet dankt Liam ausgerechnet seinem älteren Bruder Paul, aber Noel wird mit keinem Wort erwähnt) und damit womöglich das eigene Renommee ruiniert. Und von Beginn an müssen sich Beady Eye an dem messen lassen, was Oasis geleistet haben.
Natürlich haben sie gute Voraussetzungen. Die Stimme? Ist noch immer die beste der Welt. Die Texte? Sind natürlich egal – kein Mensch erwartet Lyrik von dem Mann, der Little James geschrieben hat. Die Sprüche? Sind so gut und größenwahnsinnig wie eh und je. Beady Eye werden noch größer als Oasis, verspricht Liam.
Und die Songs? Die sind natürlich der Knackpunkt. Und leider versagen Beady Eye. Das bereits erwähnte Beatles & Stones ist pseudo-aggressiv, der Opener Four Letter Word kommt mit seinem Live And Let Die-Pomp ähnlich aufgeblasen daher wie die schwächsten Momente auf Be Here Now. Fast alle Lieder bestehen auf Different Gear, Still Speeding aus genau einer Idee, manche (Wind Up Dream, Bring The Light, Standing On The Edge Of Noise) sogar aus noch weniger. Ziemlich schnell drängt sich beim Hören der Platte der schlimme Verdacht auf, dass die anstehenden Beady-Eye-Konzerte (heute Abend steht die Band zum ersten Mal in London auf der Bühne) zu todlangweiligen Angelegenheiten werden dürften.
Viel zu oft verlieren sich Liam und seine Mitstreiter Gem Archer, Andy Bell und Chris Sharrock in plumpen Rockismen. Am überzeugendsten sind Beady Eye noch, wenn sie es eine Nummer ruhiger angehen lassen.For Anyone gerät nett, Three Ring Circus hat eine erstaunliche Frische, auch Wigwam und The Beat Goes On sind durchaus hübsch.
Das heitere Millionaire gefällt, auch für The Roller holt Liam noch einmal seine beste John-Lennon-Gedächtnisstimme raus. Dass der Song, mit Abstand das beste Lied auf diesem Album, ursprünglich einmal als Oasis-B-Seite gedacht war, spricht Bände.
Denn keines der Lieder erreicht die hymnische Qualität oder Raffinesse der Großtaten, die Noel bei Oasis am Fließband beigesteuert hat. Kill For A Dream macht das besonders deutlich: Die Ballade könnte ähnlich grandios wie Stop Crying Your Heart Out oder Sunday Morning Call sein. Doch statt abzuheben, verharrt sie in einem Sound, einem Tempo, einer Tonart. Das könnte man schlicht für Bequemlichkeit halten, es ist aber fehlendes Können.
Different Gear, Still Speeding ist deshalb nicht nur eine Enttäuschung, sondern ein Ärgernis. Oasis hat man spätestens nach dem vierten Album (zurecht) vorgeworfen, dass sie den alten Biss verloren haben und zudem die Chance verpasst, sich weiterzuentwickeln. Beady Eye muss man diesen Vorwurf schon nach dem Debütalbum machen.
Noel hat offensichtlich auch die Heizung mitgenommen: Im Video zur Single The Roller geht es jedenfalls frostig zu:
httpv://www.youtube.com/watch?v=pcOJu0g8dbw