Belle And Sebastian – „The Boy With The Arab Strap“

Künstler Belle And Sebastian

Belle And Sebastian sezieren das stinknormale Leben – und lassen es glitzern.
Album The Boy With The Arab Strap
Label Jeepster
Erscheinungsjahr 1998
Bewertung

Vielleicht ist Stuart Murdoch wirklich Hausmeister in einer Kirche in Glasgow, möglicherweise ist er auch Gärtner auf einem schottischen Friedhof, wie eine andere Legende besagt. Man weiß es nicht, denn Belle And Sebastian geben so wenig wie möglich von sich preis. Promo-Fotos zeigen meist Freunde der Band, gelegentlich auch Schafe.

Sicher ist aber, dass Belle And Sebastian vorzügliche Kenner des Lebens stinknormaler Leute sind. Ein gutes Beispiel dafür ist Seymour Stein. Das wichtige Treffen mit dem Plattenboss ließ Stevie Jackson sausen, weil er erst einmal seine Freundin zurückgewinnen wollte. „Seymour Stein – I’ve been lonely / caught a glimpse of someone’s face / it was mine and I’ve been crying.“ Weil auch die (mittlerweile acht) Musiker solche Tragödien erleben und solche Entscheidungen treffen müssen, sind ihre Songs „so anheimelnd und gleichzeitig beunruhigend, so befangen im Alltag, so fern jeder Ironie“, wie der Rolling Stone meint.

Ironisch, gar zynisch, könnte Stuart Murdoch mit seiner „berauschend banalen Stimme, die nichts kann, außer die jeweilige Stimmung exakt aufzufangen und alle Unsicherheiten mit entwaffnender Offenheit transparent zu machen“ (Musikexpress) auch gar nicht sein. Er kann damit bloß Geschichten erzählen, die gleichzeitig so entrückt und real sind wie Dirty Dream Number Two, so tragisch und kurzweilig wie der Titelsong oder so fatalistisch und melancholisch wie The Rollercoaster Ride.

Manchmal auch tragische und humorige wie den Opener It Could Have Been A Brilliant Career oder bestürzende und humorige wie das darauf folgende Sleep Around The Clock: „Take a walk in the park, take a valium pill / read the letter you got from the memory girl / but it takes more than this to make sense of the day / yeah it takes more than milk to get rid of the taste.“ Eine Trompete und so etwas ähnliches wie ein Dudelsack sind zu hören, dazu semi-synthetische Beats und Keyboards. Das ist es wohl, was die Great Rock Discography meint, wenn sie schreibt: „This strange troupe of Glaswegian revivalists succeeded in putting the 60s und 70s through an 80s filter, incredibly coming up with something quintessentially 90s.“

In Wirklichkeit kommen die Stücke von Belle And Sebastian so schlicht und so schön daher, dass sie zeitlos sind und dabei ein ureigenes, wirres Gefühl von Verlorensein und Wärme vermitteln. Der Musikexpress wählte The Boy With The Arab Strap deshalb 1998 zur Platte des Monats Oktober und war zu Recht ganz bezaubert vom „rechten Sountrack, um im Spätsommer zu sterben. Oder besser: einzuschlummern und vom Sterben zu träumen.“

Ein Video-Experiment zu den Klängen von Sleep The Clock Around:

httpv://www.youtube.com/watch?v=ov4hWFjaoGM&feature=related

Belle And Sebastian bei MySpace.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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