Bill Fay – „Life Is People“

Künstler Bill Fay

Bill Fay kehrt mit "Life Is People" nach 41 Jahren zurück.
Bill Fay kehrt mit „Life Is People“ nach 41 Jahren zurück.
Album Life Is People
Label Dead Oceans
Erscheinungsjahr 2012
Bewertung

Vergesst Chinese Democracy! Verglichen mit dem neuen Werk von Bill Fay sind die 15 Jahre, die Axl Rose (und all die Leute, für die er dann nach und nach den ehrenvollen Namen „Guns’N’Roses“ immer mehr verwässert hat) für sein letztes Album gebraucht hat, geradezu ein Witz. Zwischen Time Of The Last Persecution, der bisher letzten Platte von Bill Fay, und dem nun erschienenen Life Is People sind sage und schreibe 41 Jahre vergangen.

Dass es überhaupt noch einmal neue Musik des Londoners gibt, grenzt an ein Wunder. Nach zwei hoch gelobten, aber schlecht verkauften Alben 1970 und 1971 wurde sein Plattenvertrag nicht verlängert. Seitdem hat Bill Fay nur noch zuhause musiziert, nicht ahnend, dass es draußen in der Welt nach wie vor einige Bewunderer seines frühen Werks gab.

Jeff Tweedy ist einer davon. “Ich kann mich an keinen Musiker erinnern, dessen Alben mir jemals mehr bedeutet hätten”, sagt der Wilco-Frontmann. Produzent Joshua Henry ist noch so ein enthusiastischer Fan, und er war es dann schließlich auch, der den mittlerweile fast 70-jährigen Altmeister bewegen konnte, wieder in ein Studio zu gehen. „Ich merkte von Anfang an, dass Joshua Henry dieses Album aufnehmen wollte, da es für ihn eine sehr persönliche und bedeutende Sache war. Für mich wurde es das bald auch“, erzählt Bill Fay. „Ich hatte seit 30 Jahren kein Studio betreten und seitdem nur zu Hause Aufnahmen gemacht. Im Scherz sagte ich zu ihm: ‚Eigentlich mache ich keine realen Alben, Joshua. Ich mache nur imaginäre Alben.’“

Besonders viel Zeit zum Aufwärmen brauchte Bill Fay dann aber trotz der 41 Jahre währenden Pause nicht (manche der Kompositionen waren so alt, dass er selbst erst wieder lernen musste, wie man die Klavierpassagen spielt). Nach zehn Tagen im Studio war Life Is People im Kasten. Das liegt zum einen daran, dass Henry aus einem riesigen Fundus von Demos schöpfen konnte. Er entschied sich für drei Songs (City Of Dreams, There Is A Valley, Be At Peace With Yourself), die schon zuvor auf einer Sammlung mit Demos erschienen waren, fand aber auch noch reichlich neue Schätze.

Zum anderen liefen die Aufnahmen wie am Schnürchen, weil Bill Fay eine Riege erlesener Gastmusiker an die Seite gestellt wurde, darunter sind mit Gitarrist Matt Deighton, Keyboarder Mikey Rowe und Schlagzeuger Tim Weller übrigens auch drei Leute aus dem Oasis-Dunstkreis. Auf einigen der Lieder ist auch Alan Rushton im Einsatz, der schon zur Zeit von Time Of The Last Persecution zusammen mit Bill Fay spielte.

Das Ergebnis ist ein Fest für alle Freunde meisterhaften Songwritings: Die Lieder auf Life Is People klingen wie letzte Worte, ewige Wahrheiten, Naturgesetze. Vom ersten Ton des Openers Life Is A Valley an klingt diese Platte zeitlos, majestätisch und sagenhaft souverän. Die Bandbreite reicht vom intimen The Never Ending Happening, nur mit Klavier und Cello, über das vergleichsweise schmissige This World, mit Unterstützung von Jeff Tweedy, bis hin zum Cosmic Concerto – einem keineswegs überambitionierten Titel für das gleichnamige, zerbrechliche, filigrane, erhabene Stück. The Healing Day wird ebenso sanft wie elegant, ein Gospelchor veredelt das traumhafte Be At Peace With Yourself, herrlich weise klingt Bill Fay in Jesus Etc.

Die Stimme von Bill Fay erinnert mitunter an Peter Gabriel (vor allem im abstrakten Big Painter), einige Male tummelt er sich auch in Klanglandschaften, in denen es ziemlich wahrscheinlich ist, dass er früher oder später Richard Ashcroft über den Weg läuft. Doch es ist die sicherlich größte Stärke von Life Is People, dass dieses Album in keinem Moment eine Referenz braucht – alles entsteht hier aus sich selbst heraus, um seiner selbst willen und sich ganz und gar selbst tragend.

Wer den späten Johnny Cash schätzt und vor allem Bob Dylans Time Out Of Mind, der sollte möglichst nicht 41 Jahre warten, um diese Platte zu entdecken. Und wer befürchtet, dass hier einer noch ein bisschen Reibach machen will mit den wenigen Lorbeeren aus längst vergangenen Zeiten, der kann ebenfalls beruhigt sein: Die Einnahmen von Life Is People gehen komplett an Ärzte ohne Grenzen.

Das, was wirklich zählt im Leben, steht auch im Video von Be At Peace With Yourself im Mittelpunkt:

httpv://www.youtube.com/watch?v=9nAvcIhvoHg

Eine Fanseite zu Bill Fay.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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