Blood Red Shoes – „In Time To Voices“

Künstler Blood Red Shoes

Auf "In Time To Voices" klingen Blood Red Shoes wie eine Rock-Institution.
Auf „In Time To Voices“ klingen Blood Red Shoes wie eine Rock-Institution.
Album In Time To Voices
Label V2
Erscheinungsjahr 2012
Bewertung

„Der Moment, in dem ein Musiker dich zum ersten Mal beeindruckt, ist für die Ewigkeit, also unzerstörbar – egal, was er später macht. Vor allem wenn du jung bist, ein Teenager, und denkst, die ganze Welt habe sich gegen dich verschworen, dann ist es doch immer wieder Musik, die dir ein Gefühl von Magie und Freiheit vermittelt, die all den Dreck und Mist, der dich belastet, beiseite fegt.“

Das hat Michael Stipe Ende 2011 im Gespräch mit der Zeit gesagt, und er hat Recht. Es ist dieser erste Kontakt, der als bleibender Eindruck tiefe Spuren hinterlässt. Im richtigen Moment der genau richtigen Band und dem perfekt passenden Lied zu begegnen, das kann reichen, um eine Beziehung zu begründen, die ein Leben lang etwas Besonderes behält.

Bei Blood Red Shoes dürfte dieser Moment in der Regel in Live-Erlebnis gewesen sein. Steven Ansell und Laura-Mary Carter sind unermüdlich auf Tour, Stammgast auf Festivals und so zu einer veritablen Rock-Institution geworden. Ihre Fans gewinnen sie durch die Wirkungsmacht ihrer Shows – und die lässt so schnell nicht nach.

Es ist dieser Effekt, der dem Duo aus Brighton womöglich noch eine sehr lange, sehr ordentliche Karriere sichern wird. Es ist auch dieser Effekt, der In Time To Voices, das dritte Album von Blood Red Shoes, über weite Strecken trägt. Denn besonders aufregend ist dieser Sound als Konserve nach wie vor nicht. Ansell und Carter machen grundsolide Rockmusik, mal mit satten Fuzz-Effekten und Punk-Ausprägung (Je me perds, das die perfekte Vertonung der Textzeile „What the fuck am I doing here / lying face down on the floor“ bietet), mal akustisch und mit Blues-Genen (Night Light), mal luftig wie der Rausschmeißer 7 Years, mal schrägsexy im Sinne der White Stripes wie in Down Here In The Dark.

Freilich haben Blood Red Shoes ihren Sound im Vergleich zum Vorgänger Fire Like This auch dezent verändert. “With this album we totally threw out the rulebook of how we write and record. We decided we wanted to make a really ambitious record, not something which reflects our live show but something which is only limited by our imaginations and not by how many instruments we use onstage”, erklärt Laura-Mary Carter die Herangehensweise für In Time To Voices. “We figured the best way to push ourselves forward was to write the best possible songs and melodies we could – once you have that as your foundation, you have the freedom to go anywhere with the sounds you use. We feel like a totally different band now. We feel like we’re shooting for the stars.”

Das ist natürlich ein wenig übertrieben, trotzdem ist die Evolution der Blood Red Shoes unverkennbar. Der Titelsong gleich zu Beginn von In Time To Voices ist bei weitem nicht so straight, wie man das von der Band aus Brighton gewohnt ist. Stattdessen bleibt der Track bis zum urgewaltigen Refrain ein wenig mysteriös im Stile von The Duke Spirit.

Eine Prise Shoegaze lässt sich in Two Dead Minutes ausmachen, in dem die Gitarre kaum als solche erkennbar ist. Silence And The Drones kommt anderthalb Minuten lang mit nur einem einzigen Akkord aus und klingt auch deshalb so selbstvergessen, als würde (und sollte) gar niemand zuhören. Mit Stop Kicking (das am Anfang eine rotierende Gitarre hat, die irritierenderweise wie der Beginn von Schwule Mädchen klingt) schleicht sich plötzlich so etwas wie Licht und Leichtigkeit in dieses Album, so dass man fast die Wombats am Werke wähnen könnte. Auch das beinahe zarte und um eine Orgel angereicherte Slip Into Blue zählt zu dieser Kategorie.

Natürlich gibt es auf In Time To Voices aber auch die nötigen Kracher: Lost Kids hat von Beginn an die bekannte Power, ein simples Tamburin sorgt im Refrain für eine Extraportion Wucht. In Cold, der ersten Single des Albums, kämpfen wildgewordene Drums gegen eine psychopathische Gitarre und den Gesang von zwei Besessenen. Was In Time To Voices fehlt, sind ein, zwei Lieder, die wirklich herausragen. Stattdessen gibt es eine sehr runde, beinahe klaustrophobische Atmosphäre und viel Souveränität. Das wird definitiv reichen, um bei den Sommerfestivals ein paar neuen Fans das Blood-Red-Shoes-Erweckungserlebnis zu verpassen.

Das ungemütliche Video zu Cold haben sich Blood Red Shoes definitiv nicht von Visit UK sponsern lassen:

httpv://www.youtube.com/watch?v=g-yxwXIrQ-E

Im Mai spielen Blood Red Shoes reichlich Konzerte in Deutschland:

19.05. Mannheim, Maifeld Derby Festival
21.05. Münster, Sputnikhalle
22.05. Frankfurt, Batschkapp
24.05. Hamburg, Docks
25.05. Neustrelitz, Immergut Festival
26.05. Leipzig, Conne Island
29.05. Köln, Gloria
31.05. München, Backstage Halle
18.07. Grossefehn, Omas Teich Festival

Blood Red Shoes bei MySpace.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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3 Gedanken zu “Blood Red Shoes – „In Time To Voices“

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