Künstler | Boom Bip | |
Album | Zig Zaj | |
Label | Lex | |
Erscheinungsjahr | 2011 | |
Bewertung |
Man kennt das ja: Irgendwann an einem feuchtfröhlichen Abend ist ein Punkt erreicht, an dem Kommunikation keine Möglichkeit mehr ist, sondern ein Zwang. Dann plappern alle unkoordiniert drauf los und quatschen sich wild gegenseitig an: auf der Tanzfläche, an der Bar, sogar auf der Herrentoilette vom Pissoir nebenan.
In einem dieser Momente ist mit großer Wahrscheinlichkeit die Idee zu Zig Zaj entstanden, dem vierten Soloalbum von Boom Bip. Weil Boom Bip zuletzt gemeinsam mit Gruff Rhys als Neon Neon groß abgeräumt hat (unter anderem gab es für ihr Album Stainless Style eine Nominierung für den Mercury Award), treibt er sich mittlerweile in den Clubs rum, in denen man auf der Tanzfläche/an der Bar/auf dem Herrenklo schon mal den einen oder anderen Promi trifft. Alex Kapranos (Franz Ferdinand) zum Beispiel, Luke Steele (Empire Of The Sun) oder Josh Klinghoffer (den neuen Gitarristen der Red Hot Chili Peppers).
Sie alle dürften ins Gespräch gekommen sein mit dem Fazit: „Klar Mann, lass uns mal was zusammen machen.“ Natürlich nur, um sich dann so schnell wie möglich wieder aus dem Staub machen zu können. Denn seien wir ehrlich: Es gibt Dringlicheres zu tun auf der Herrentoilette (und natürlich erst recht an der Bar und auf der Tanzfläche) als Pläne für gemeinsame Projekte zu schmieden, an die man sich am nächsten Morgen ohnehin nicht mehr erinnern kann.
Zig Zaj ist trotzdem entstanden, zehn Tracks, mit denen Boom Bip auf genau die richtigen Referenzen verweist und die sich bestens eignen als Musik, die modern klingen soll, aber bloß nicht zu aufdringlich (die bemitleidenswerten DJs in Mode-Kaufhäusern oder Milchkaffee-Bars wissen, was ich meine). In den Instrumental-Stücken beschwört Boom Bip mit einem hypnotischen Rhythmus noch einmal New Wave herauf (Pele), zieht den Hut vor New Order (Automaton) und Kraftwerk (Reveal) oder klingt, als würden die Blur der 13-Phase sich an einem Kasabian-Remix versuchen (Manabozh, gemeinsam mit Beastie-Boys-Intimus Money Mark). Am gelungensten ist der Opener All Hands, der auf Filmmusik macht und vor allem funktioniert, weil er die Stimmen wie ein Instrument nutzt und sie dann konsequenterweise auch bloß Laute äußern lässt, keine Worte.
Die besagte prominente Unterstützung ist auf Zig Zaj natürlich auch dabei. Alex Kapranos wirkt auf Goodbye Lovers And Friends mit, einem düsteren Quasi-Rock irgendwo zwischen Editors und Depeche Mode, der vor allem zeigt, dass seine Stimme inzwischen mindestens genauso sehr als Markenzeichen von Franz Ferdinand gelten muss wie der patentierte „Wir bringen Mädchen zum Tanzen“-Rhythmus. Cat Le Bon darf sich mit Do As I Do in die Ära der frühen OMD beamen. Luke Steele und Josh Klinghoffer wirken auf dem besten Song des Albums mit: New Order (jaja, schon wieder) klingt so ähnlich wie The Prodigy mit Reflexionsvermögen und ist der einzige Track hier, der zumindest in Ansätzen so etwas wie Aktualität ausstrahlt.
Das ist das größte Problem an Zig Zaj: Boom Bip probiert hier viel aus und erkundet die verschiedensten Felder, aber seine Motivation wird nirgends deutlich. Spätestens, wenn am Ende Tumtum zu einer fast 10 Minuten langen, nervtötenden Brian-Eno-Persiflage wird und danach Mascot And The Moth klingt, als sei ein sehr sehr spät auf den Geschmack gekommener Massive-Attack-Fan mit letzter Kraft nach Bristol gekrochen und habe dort aber bloß noch einen kaputten Plattenspieler gefunden, ist klar: Diese Musik ist nicht schlecht, aber sie hat nichts Besonderes oder gar Bewegendes. Zig Zaj ist das iPad der Musiklandschaft: sehr cool, sehr schick – und völlig überflüssig.
Die netten Damen und Herren von Lex Records haben freundlicherweise einen Albumtrailer für Zig Zaj zusammengestellt:
httpv://www.youtube.com/watch?v=tA5O2CbLOro