Künstler | Caligola |
Album | Back To Earth |
Label | Universal |
Erscheinungsjahr | 2012 |
Bewertung | *** |
Die Welt braucht gerade eine ganze Menge. Politiker, die den Asozialen auf den Finanzmärkten endlich Einhalt gebieten. Ein paar gute Ideen für die Energieversorgung nach dem Ende des Öls. Ein Mittel gegen Krebs, Aids und die weit verbreitete Wahrnehmungsstörung, die zur Folge hat, dass Lady Gaga für eine Musikerin gehalten wird.
Was die Welt gerade nicht braucht: Eine Platte, auf der Mando Diao versuchen, wie Michael Jackson zu klingen. Diese Platte gibt es jetzt. Sie heißt Back To Earth.
Wir wollen allerdings korrekt sein: Erstens handelt es sich nicht um die kompletten Mando Diao, sondern lediglich um die Doppelspitze Gustaf Norén und Björn Dixgård. Die sind allerdings für die Band aus Schweden in etwa so entscheidend wie die Buchstaben M, A, D und O beim Versuch, Mando Diao zu buchstabieren. Zweitens versuchen die beiden nicht nur, wie Michael Jackson zu klingen, sondern manchmal auch wie Giorgio Moroder, Mark Ronson oder Justin Timberlake.
Das ist zunächst überraschend, aber nicht besonders schwer zu erklären. Für ihr Nebenprojekt haben sich die beiden Mando-Diao-Frontmänner den Namen „Caligola“ gegeben. Im gleichnamigen Künstlernetzwerk sind sie schon seit Jahren aktiv, ebenso wie die Produzenten Salla und Masse Salazar, die schon das jüngste Mando-Diao-Album Give Me Fire produziert haben und auch hier verantwortlich sind. Back To Earth ist deshalb inspiriert vom Aufeinandertreffen verschiedener Künste und Künstler. Es ist der Beitrag von Gustaf, Björn, Masse und Salla zu diesem Netzwerk.
Hinter Caligola steckt zudem eine tiefere Idee. Die Mitglieder sind in Kutten mit großen Kapuzen unterwegs, sehen aus wie Mönche und sind kaum zu erkennen. Diese Anonymität soll „das Aufheben von Unterschieden“ bewirken, erklärt Gustaf Norén. „Wir merken ja bei Mando Diao jeden Tag, wie personenbezogen alles gesehen wird. Eine ganze Menge Leute trägt ihren Teil zum Gesamtprojekt bei, aber am Ende wird alles nur demjenigen gutgeschrieben, der singt und der vorne steht. Das ist ein Problem, denn schließlich gibt es so viele Aspekte, die alle zur Popmusik gehören: Mode, Malerei, Film… Caligola hingegen ist eine Verbindung, in der jeder gleich ist. Das illustrieren die Capes: Jeder ist gleich, jeder hat den gleichen Wert.“
Man kann dieses Konzept affektiert finden. Man kann auch meinen, dass es einfachere Möglichkeiten gibt, die bekannte Botschaft „wir hatten da einfach ein paar Lieder, die nicht ins Oeuvre unserer eigentlichen Band passen“ zu verkaufen. In jedem Fall aber muss man anerkennen, dass Back To Earth ein gelungenes Pop-Abum geworden ist.
Das ist nicht ganz überraschend, denn es gibt natürlich auch bei Caligola einige der Markenzeichen von Mando Diao: viele feine Melodien, reichlich Romantik und die unlängst schon auf Give Me Fire gern genommene Streicher- und Bläser-Opulenz. Nicht zuletzt hatten die Schweden auf diesem Album, beispielsweise mit Gloria, ja schon bewiesen, dass sie keine kernigen Gitarren brauchen, um Hits abzuliefern.
Trotzdem ist Caligola nicht bloß eine Variation des üblichen Mando-Diao-Outputs. Back To Earth steht unter ganz anderen Vorzeichen: die Lieder sind schwarz und clubtauglich, gerne mit Kopfstimme gesungen und bei ihrer Rundreise durch diverse Genres immer kompetent.
Nachdem ein Toast von Nutty Silver, dem ersten von vielen Gästen auf Back To Earth, den Auftakt gemacht hat, folgt Down By The Riverside – und umgehend ist klar, dass es hier nicht um Resteverwertung oder halbherziges Experimentieren geht. Der Song ist sofort zwingend und wird zu einem äußerst inspirierten Soul-Feger. Forgive Forget ist funky, Raise Your Head zeigt, dass die alte No Diggity-Formel (ein fetter HipHop-Beat und ein schweres Klavier) noch immer funktioniert, Ride The Night Away verbreitet ein wenig Tom-Jones-Flair.
Manchmal sind die Lieder auf Back To Earth auch nur dann spannend, wenn man sich den Kontrast zu Mando Diao hinzudenkt. Aber das ist nicht unbedingt ein Manko: Es ist durchaus ein Erlebnis, wenn man hört, mit welcher Chuzpe sich Gustaf Norén und Björn Dixgård, die in ihren Anfangstagen immerhin noch Rabauken im Stile von Oasis oder der Libertines sein wollten, hier an Synthiepop wagen, den auch OMD nicht kitschiger hinbekommen hätten (Morning Light), Mr. Morris besingen, der auch ein Nachbar der Black Eyed Peas sein könnte, oder eine geheimnisvoll-abstrakte Ballade abliefern wie Angel Ice, die Elvis mit Gypsy vereint.
Auch Violettas Dance ist kaum zu fassen: Da gibt es House-Anleihen, ein Saxofonsolo und einen Bass, der Michael Jacksons Gotta Be Startin’ Something nachspürt. Sting Of The Battle (mit Flötensolo!) klingt danach, als würden Jan Delay und Shaggy gemeinsam die Bee Gees zum Teufel jagen. Und den Abschluss bildet Hapokalypse, ein Mantra, zu dem man sich tatsächlich die Mönchsfiguren vom Albumcover in einer mystischen Beschwörung vorstellen kann. Alles in allem: eine sehr willkommene Abwechslung.