Hingehört: Caro Emerald – „The Shocking Miss Emerald“

Caro Emerald fantasiert sich diesmal nicht nach Hollywood, sondern nach Paris.
Caro Emerald fantasiert sich diesmal nicht nach Hollywood, sondern nach Paris.
Künstler Caro Emerald
Album The Shocking Miss Emerald
Label Universal
Erscheinungsjahr 2013
Bewertung

Wenn sie ein neues Album planen, dann kümmern sich viele Künstler erst einmal um brauchbare Demos. Manche suchen zuerst nach einem geeigneten Produzenten, manche legen erst fest, in welchem Studio diesmal gearbeitet werden soll. Bei Caro Emerald darf man sicher sein: Sie sucht zuerst die Klamotten aus.

Schon auf ihrem mega-erfolgreichen 2009er Debüt Deleted Scenes From The Cutting Room Floor (weltweit zwei Millionen Mal verkauft, länger in den holländischen Albumcharts als Thriller von Michael Jackson) war unüberhörbar, wie wichtig Stil und Eleganz für diese Sängerin sind. Auf dem nun erschienenen Nachfolger The Shocking Miss Emerald macht die 32-Jährige aus Amsterdam erst recht klar, wie liebend gerne sie mit Bildern, Kulissen und Figuren spielt. Ihr zweites Album ist, beinahe noch mehr als das Debüt, das sich immerhin inmitten des Hollywood der glamourösen 1940er und 1950er Jahre platzierte, eine sehr filmische Platte geworden.

Diese Lieder sind wie Fotos, die irgendwann einmal privaten Charakter hatten, aber nun Jahrzehnte später auf dem Flohmarkt verkauft werden, einfach um ihres ästhetischen Werts wegen. Sie sind wie Groschenromane, die in eine andere Welt entführen. Und sie sind vor allem wie Filme aus einer Ära, in der selbst die Statisten auf der Leinwand eleganter wirkten als die heutigen Hollywood-Stars.

Im Paris der 1940er und 1950er Jahre hat Caro Emerald ihre neuen Lieder angesiedelt. So gibt es ein paar Chanson-Einflüsse, Verweise auf Jazz und Swing, gelegentlich auch ein paar Latin-Rhythmen wie im heißen My 2 Cents. In Pack Up The Louie (einer Hymne an einen Koffer aus dem Hause Louis Vuitton) werden Scratching und Balkansounds vermählt, am Ende von The Maestro ist tatsächlich ein bisschen Spruchweisheit von Karl Lagerfeld gesamplet. Alles ist opulent, todschick, mondän – durchweg agiert die Sängerin mit einem echten Orchester, dirigiert von Jules Buckley (Arctic Monkeys, Professor Green) und aufgenommen in den Abbey-Road-Studios.

One Day ist sonnig und leicht, Caro Emerald (die in der Passkontrolle und von ihrer Mutter womöglich noch immer Caroline Esmeralda van der Leeuw genannt wird) wirkt darin wie eine waschechte Diva, die sich aber ihre Freundlichkeit bewahrt hat. Das sinnliche Coming Back As A Man unterstreicht ihre Lust auf Verkleidung, Versteckspiel und das subtile Kräftemessen der Geschlechter.

Completely hat viel Fourties-Flair, würde mit seinem koketten Charakter aber erstaunlicherweise auch gut zu Lena oder Katy Perry passen. Black Valentine mit seinen schwülen Streichern hätte man sich gut auf dem letzten Album von Kylie vorstellen können. Sowohl an einen James-Bond-Titelsong (falls 007 jemals einen Einsatz in Mexiko zu bestreiten hätte) als auch an Amy Winehouse erinnert I Belong To You, mit einem sehr wirkungsvollen Trompetensolo im tollen Refrain.

So ähnlich wie die Single Tangled Up hätten All Saints vielleicht geklungen, wenn sie Französinnen wären. „Das Stück handelt davon, sich in Beziehungen zu zwei verschiedenen Männern zu verstricken. Die Protagonistin weiß nicht, wie sie sich entscheiden soll“, sagt Caro Emerald. „Ich denke, die Lyrics auf dem neuen Album sind im Vergleich zu Deleted Scenes… ein bisschen verruchter, ungezogener. Ich mache noch einen Schritt weiter und präsentiere mich als Miss Emerald von einer bisher vielleicht noch nicht so bekannten Seite. Nachdem man mich als elegantes, liebeswürdiges Fräulein kennen gelernt hat, präsentiere ich jetzt auch meine Schattenseiten…“

Liquid Lunch ist ein Beispiel dafür, in dem der Kater vom Vorabend einfach weggetanzt wird. Auch Excuse My French passt in diese Kategorie, denn die Idee, für immer an der Seite des gleichen Mannes zu bleiben, klingt hier wie ein Trauermarsch. Ganz am Schluss zeigt sich Caro Emerald allerdings durch und durch verletzlich: Die Quasi-Ballade The Wonderful In You handelt von den unscheinbaren, schüchternen Herzensbrechern, die selbst am allerwenigsten ahnen, dass sie Herzensbrecher sind – und man darf sicher sein, dass Caro Emerald (oder die Figur, in deren Gestalt sie hier singt) an so einen geraten ist.

The Shocking Miss Emerald beweist, wie gerne die Niederländerin in Rollen schlüpft, wie gerne sie sich in andere Menschen, Zeiten und Orte hineinfantasiert. Und das Outfit, das sie dafür wählt, ist bei ihr natürlich niemals eine Jogginghose. Sondern immer ein Abendkleid.

Caro Emerald singt Tangled Up. Schockierenderweise nicht in Paris.

httpv://www.youtube.com/watch?v=VtfVkUhphCo

Homepage von Caro Emerald.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

Alle Beiträge ansehen von Michael Kraft →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.