Künstler | Cocoon |
Album | Where The Oceans End |
Label | Sober & Gentle |
Erscheinungsjahr | 2011 |
Bewertung | *** |
Einen besseren Namen für diese Band könnte es kaum geben: Cocoon. Klingen Mark Daumail und Morgane Imbeaud doch auch auf Where The Oceans End, ihrem zweiten Album, ganz oft noch so zurückhaltend, verschüchtert und zerbrechlich, als würden sie sich am liebsten gar nicht aus ihrem Kokon herauswagen.
Der Albumtitel hingegen irritiert. Maritime Themen hatte man nicht unbedingt erwartet von diesem Duo, das aus der Auvergne kommt und mittlerweile in Paris zuhause ist – beides nicht unbedingt große Seefahrerregionen. Doch gerade die große Entfernung zur Küste weckte in Daumail und Imbeaud die Sehnsucht nach der Unendlichkeit und Majestät und des Meeres. Where The Oceans End ist tatsächlich so etwas wie ein Konzeptalbum – und wenn es in Mare eine Rubrik mit CD-Empfehlungen gäbe, dann wäre der Titel „Album des Monats“ auf jeden Fall für Cocoon reserviert.
Where The Oceans End ist die Geschichte eines imaginären Wals namens Yum Yum, nach dem hier auch ein Lied benannt ist. Er nimmt Cocoon mit auf eine Reise, durch die Tiefen der Weltmeere und zu verschiedenen Inseln. Der Wal repräsentiert dabei auch die Kindheit der beiden Bandmitglieder, erklärt Daumail: Als der Wal im Laufe des Albums stirbt, weiht er Cocoon in all die Erfahrungen seines riesigen Gedächtnisses ein, um sie zu wappnen für die Herausforderungen, die im Leben als Erwachsene auf sie warten.
Als loser roter Faden für Where The Oceans End funktioniert diese Fabel recht gut – und wer die Geschichte vom Wal zu spinnert findet, kann ebenfalls beruhigt sein: Das Album funktioniert auch ohne diesen Kontext ganz wunderbar als Sammlung verträumter, unschuldiger Folksongs. Wer die sanftesten Momente von Belle And Sebastian mag oder an Simon & Garfunkel vor allem die Verträumtheit schätzt, der ist hier genau richtig.
Sushi (damit ist hier eine Insel gemeint) steht am Beginn, ganz sanft und sonnig, die Stimmen von Mark Daumail und Morgane Imbeaud flüstern fast nur. Auch sonst ist es ganz oft der Gesang, der hier fesselt: In die knapp 200 Sekunden von Mother packt Daumail unendlich viele Nuancen. In Cathedral entspinnt sich ein durchaus zärtliches Zusammenspiel. Der Rausschmeißer In My Boat, das erste Lied aus der Feder von Morgane Imbeaud, ist wunderhübsch gesungen.
Selten geht es ein wenig kraftvoller zur Sache. In Comets sorgen ein mächtig gut gelauntes Schlagzeug und ein ganz einfacher Bass für einen robusten Rhythmus. Auch Dee Doo, in dem ausnahmsweise nicht die akustische Gitarre dominiert, sondern das Klavier, hat durchaus Schwung. Dolphins liegt ein pluckender Beat zugrunde, der es ein wenig plausibler macht, dass sich Cocoon live sogar an Coverversionen von Outkast heranwagen, und die Stimmen flirten miteinander.
Neben dem immer wieder bezaubernden Gesang und der famosen Leichtigkeit dieser Musik (Super Powers schmeichelt geradezu wie eine Sommerbrise) sind es die Streicher, die Where The Oceans End zu einem so gelungenen Album machen. Arrangiert hat sie Dickon Hinchliffe von den Tindersticks, und immer wieder gelingt es ihm dabei, spannende Akzente zu setzen. In Oh My God sorgen sie nach dem gewohnt zurückhaltenden Beginn für ein hoch dramatisches Ende. In Baby Seal treffen die schweren Streicher auf luftige Gitarren. Im leicht bedrohlichen I Will Be Gone lässt ein Cello sogar die ersten Wolken am ansonsten durch und durch heiteren Himmel von Cocoon aufziehen.
Egal, ob man sich von solchen kleinen Irritationen einschüchtern lässt, lieber am Ufer zurückbleibt und bloß von fernen Kontinenten träumt, wenn die großen Schiffe ablegen, oder ob man selbst zu einem Segeltörn in See sticht: Where The Oceans End ist in jedem Fall der richtige Soundtrack dazu.
Im niedlichen Video zu Oh My God hat sich der Wal in ein Glühwürmchen verwandelt:
httpv://www.youtube.com/watch?v=BWaboqwtF7s