Künstler | Coldplay | |
Album | A Rush Of Blood To The Head | |
Label | Parlophone | |
Erscheinungsjahr | 2002 | |
Bewertung |
Wenn man das Booklet aufklappt, sieht man die Band bei der Arbeit, in schwarz-weiß. Das hat Symbolchrakter. Zwar ist Chris Martin noch immer Kopf und Stimme von Coldplay. Doch die anderen, die der Sänger die „beste Band der Welt“ nennt, sind diesmal deutlich präsenter. A Rush Of Blood To The Head ist körperlicher als Parachutes.
Den Auftakt macht Politik, kraftvoller und lauter als man Coldplay jemals gehört hat. Der Song nimmt jede Menge Anlauf, bietet ständige Stimulanz, immer noch eine Steigerung. Gerade als man dann denkt, das Stück würde ein nicht gehaltenes Versprechen bleiben (was ja zu Politik passen würde), kommt doch noch die Erlösung. „Give me love“, singt Chris Martin fast zum Schluss. Noch immer überschlägt sich dabei seine Stimme, und sofort ist das alte Coldplay-Gefühl wieder da. Er trifft ins Mark, und wie ein pawlowscher Hund ist man förmlich gezwungen, mit ihm zu fühlen.
Danach klingeln auch die Gitarren wieder wie auf Parachutes, auch auf In My Place, der Vorab-Single. „I was lost, I was lost“, beginnt die zweite Strophe, schon wieder kann man nicht anders als mitsingen – und selten hat sich Verlorensein so gut angefühlt. Das nächste Highlight ist The Scientist, auf dem Klavier komponiert und brilliant arrangiert. „Nobody said it was easy / but no one ever said it would be so hard“, singt Chris Martin, es klingt jedoch nicht halb so fatalistisch und perspektivlos wie bei Sheryl Crow, die auf ihrem Debütalbum einst fast die selben Zeilen heraustrauerte.
In Clocks meint man im Hintergrund Sting den Refrain mitsingen zu hören: „Am I part of the cure / or am I part of the disease?“ Doch es sind nur Coldplay, und deren Songs sind immer beides. Die Sorgen sind selten weniger als existenziell, doch mit der Vertonung lösen sie sich nicht nur auf, sondern werden auch gleich zum Heilmittel.
Nur zweimal funktioniert diese Kombination von Verzweiflung und Zuversicht nicht. Daylight bietet schroffe Rhythmen, schräge Streicher und ein schrilles Piano-Riff, doch es fehlt die Glaubwürdigkeit. Es sollte wohl experimentiert werden, ruhig auch mal was anderes, doch diese Idee hat sich für Bands in den seltensten Fällen als eine gute erwiesen. Daran krankt auch A Whisper, ein Songtitel, dessen Umsetzung man gerade von Coldplay traumhaft hatte erwarten dürfen. Doch die Band setzt auch Hektik und Wiederholungen, was an die frühen Police erinnert, aber das insgesamt schwächste Stück der Platte hervorbringt.
Zwei Stücke, die ein bisschen weniger als perfekt sind, verkraftet man angesichts der übrigen Perlen aber gerne. Green Eyes fasziniert mit beschwingter Gitarrenarbeit und unentschlossenem Gesang und mutiert dann zu einer nicht weniger mitreißenden Country-Nummer. Gleich darauf macht einen Warning Sign vollends hilflos. Man will sich nur noch schlecht fühlen – und von Coldplay trösten lassen. „And the truth is that I miss you“, heißt diesmal die Eisbrecher-Zeile. Chris Martin betont dabei nicht das „you“, schon gar nicht das „I“, sondern legt alles was er hat in das „miss“. Unwiderstehlich.
Der Titelsong bleibt so geheimnisvoll wie das Cover. Kurz geht der Wille verloren, aber nicht die Kraft. „I gonna buy a gun and start a war / if you can tell me something worth fighting for.“ Es bleibt eine Drohung, denn natürlich sind Coldplay Gutmenschen, die keiner Fliege etwas zu Leide tun mögen, dafür aber mit ihren Songs Leben retten. Everything’s Not Lost war so einer, diesmal macht Amsterdam kaum schlechter den Rausschmeißer. „Time is on your side“ heißt die Botschaft, übermittelt von sparsamem Klavier und vollendetem Gesang, am Ende von der geballten Coldplay-Ladung. Chris Martin ist schließlich ein Perfektionist: „In meinem Kopf klingt immer alles besser als dann auf dem Album.“ Noch besser? Man kann es sich kaum vorstellen.
Ein Hampelmann auf der Bühne und eine ganze Menge Weicheier davor: In My Place, live beim Live8 im Hyde Park:
httpv://www.youtube.com/watch?v=Lqbmim2hsI4
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