Künstler | Craig Finn | |
Album | Clear Heart Full Eyes | |
Label | Full Time Hobby | |
Erscheinungsjahr | 2012 | |
Bewertung |
Die Wandlung vom Rocker zum introvertierten, akustischen Songwriter ist nicht gerade die innovativste im Musikgeschäft. Trotzdem scheint sie unwiderstehlich zu sein. In den vergangenen Jahren konnte man sogar meinen, sie sei verpflichtend für jeden Indie-Frontmann, der etwas auf sich hält. Jetzt hat auch Craig Finn diese Wandlung vollzogen. Mit seiner Band The Hold Steady gibt er sich auch im achten Jahr des Bestehens gerne kernig, gelegentlich auch rotzig. Sein erstes Soloalbum Clear Heart Full Eyes hat nichts von dieser Aggressivität.
Vergleicht man die Lieder mit dem Oeuvre von The Hold Steady, dann sind sie vor allem „a little quieter and perhaps more narrative“, wie Craig Finn es selbst beschreibt. Sie passten nicht recht ins Werk der Hauptberuf-Band, und außerdem hatte Craig Finn noch eine andere Motivation: „I turned 40 last summer, and I thought: Maybe it’s time to do something alone“, erklärt er im Interview mit ABC News.
Man könnte angesichts solcher Aussagen die pure Belanglosigkeit erwarten – zumal, wenn man weiß, dass die Platte innerhalb weniger Wochen im Sommer 2011 in Austin aufgenommen wurde, und dass die meisten Lieder aus einer Zeit stammen, in der es sich Craig Finn zur Aufgabe gemacht hatte, jeden Tag einen Song zu schreiben.
In der Tat steckt hinter Clear Heart Full Eyes kein großes Konzept jenseits von „Lass uns mal zusammensetzen und ein paar Stücke raushauen“. Clear Heart Full Eyes (der Albumtitel soll für Ehrlichkeit und Erfahrung stehen) ist trotzdem weit davon entfernt, enttäuschend zu sein. Das von Mike McCarthy produzierte Album ist durch und durch amerikanisch, gut abgehangen und grundsolide.
Im Opener Apollo Boy klingt Craig Finn weise und bedrohlich wie der späte Johnny Cash. When No One’s Watching wird ein wenig psychedelisch. No Future ist ein gebremster Rock, ähnlich kompakt wie man das von Frank Black & The Catholics kennt. Der dezent sozialkritische Honolulu Blues könnte Bruce Springsteen gefallen.
Überall auf dieser Platte scheint die Gitarre nach der großen Weite zu suchen, die Texte halten sich gelegentlich für ein bisschen schlauer, als sie wirklich sind, und immer stellt die Atmosphäre locker die Melodie in den Schatten. Paul Westerberg ist ein wichtiger Bezugspunkt, auch The Horrible Crowes müssen als Geistesverwandte genannt werden.
Frauen und Musik sind wichtige Leitmotive, auch Religion ist immer wieder ein Thema (Craig Finn bezeichnet sich als kritischen, aber überzeugten Katholiken). New Friend Jesus beispielsweise klingt so simpel und einleuchtend, wie die Lebensführung für einen durch und durch gläubigen, erleuchteten Menschen wohl sein muss. Der Sohn Gottes wird in dem Song zum coolen Kumpel – darauf muss man erst einmal kommen. In Western Pier, dessen Sound ähnlich existenzialistisch ist wie Bob Dylans Time Out Of Mind, wird Jesus als gerechter, barmherziger Richter gepriesen.
Wenn es nicht um den Glauben geht, sind die Figuren hingegen oft irritiert, verloren, neben sich. Rented Room, der beste Song dieses Albums, ist ein gutes Beispiel dafür: Da ist der Protagonist eigentlich zuhause, aber er fühlt sich trotzdem nicht wohl, weil er nicht damit klar kommt, dass er als Mittdreißiger noch kein eigenes Haus besitzt. „A lot of the songs deal with displacement, and people that are struggling while out of their element or comfort zone”, umschreibt das Craig Finn. Genau dahin hat er sich mit Clear Heart Full Eyes gewagt – und gewonnen.
Jesus wird es richten: Craig Finn spielt Western Pier, live im Fitzgerald Theatre in Minnesota:
httpv://www.youtube.com/watch?v=GVln-6FhsN4