Verspielt, mädchenhaft, selbstbewusst: "La Liberacion" macht richtig Spaß.

CSS – „La Liberacion“

Künstler*in CSS

Verspielt, mädchenhaft, selbstbewusst: "La Liberacion" macht richtig Spaß.
Verspielt, mädchenhaft, selbstbewusst: „La Liberacion“ macht richtig Spaß.
Album La Liberacion
Label V2
Erscheinungsjahr 2011
Bewertung

Ein Saxofon-Inferno erklingt am Ende von La Liberacion. Es ist, nach einer guten halben Stunde, bei weitem nicht der seltsamste Sound, den man auf diesem Album gehört hat. Und doch freut man sich darüber. Denn das halbschräge Bläser-Durcheinander verkörpert ziemlich gut das, was CSS auf ihrer dritten Platte ausmacht.

„Oh my God“ heißen die ersten Worte der ersten Strophe auf La Liberacion. Und die letzten Wort, die Sängerin Lovefoxxx hier spricht, lauten: „Fuck everything.“ Dazwischen herrscht der permanente Ausnahmezustand, die Songs heißen I Love You oder Red Alert. Das zeigt schon: Für Subtiles ist weiterhin nicht allzu viel Platz in der Welt von Cansei de Ser Sexy. CSS kommen schnell auf den Punkt. Und dieser Punkt heißt in der Regel: Party. „Don’t live your life unless it’s like a movie“, wird das Motto hier an einer Stelle auf den Punkt gebracht.

Auch fünf Jahre nach ihrem Debüt klingt die Band aus Sao Paulo noch immer wie eine Horde Halbwüchsiger, die ihre Instrumente mit so viel Begeisterung spielt, als hätte sie all diese Klangwerkzeuge gerade erst in einer geheimen Schatzkammer gefunden und sei nun ganz begeistert, was man damit alles anstellen kann. „Hello, my name is Lovefoxxx and I am 12 years old“, erzählt die Sängerin dann auch prompt im Hidden Track. Das ist natürlich geschwindelt, aber trotzdem ein wichtiger Hinweis zum Verständnis von La Liberacion.

Denn bei all dem kindlichen Übermut geht es bei CSS längst nicht mehr dilettantisch zu. Vor allem der Bass ist auffallend gut gespielt, was allein deshalb erstaunt, weil er nach dem Abgang von Ira nun von Schlagzeuger Adriano Cintra bedient wird, der sich an den Drums wiederum von diversen Gastmusikern ersetzen lässt. Und der hyperaktive Eifer von CSS wirkt auch nicht mehr allzu anstrengend, sondern steckt vielmehr an. La Liberacion ist plakativ, aber trotzdem ein Grower, offenbart nach und nach neue Ebenen von Eingängigkeit, Groove und Attitüde. Und wie schon die beiden Vorgänger lebt das Album in erster Linie von Lovefoxxx. Die gibt hier nicht nur den Wirbelwind („Mein Mantra für dieses Album ist ,Rip Shit’, und das ist genau das, was wir auf La Liberacion tun.“), sondern verkörpert auch gleich reihenweise weibliche Pop-Ikonen.

Der ausgelassene Opener I Love You könnte von La Roux kommen. Das famose Hits Me Like A Rock ist ultra-eingängig, baut kleine Reggae-Elemente ein, wie das Lily Allen auch gerne getan hat, und hat auch noch einen Gastauftritt von Bobby Gillespie (Primal Scream) zu bieten. City Girl ist ein Hit – und dürfte einer der ganz wenigen Tracks des Jahres sein, der sogar Robyn neidisch macht.

Wie Glory Days von Bruce Springsteen beginnt Echo Of Love, bekommt dann aber eine erstaunliche Exotik und Lovefoxxx singt dazu wie Nena auf Kreuzfahrt. Der halbe Sprechgesang und die prägnanten Keyboards von You Could Have It All könnten jahrelang im Labor von The Sounds eingesperrt gewesen sein, Ruby Eyes verströmt die rotzige Romantik von Courtney Love.

Der Titeltrack beeindruckt vor allem mit Unmittelbarkeit – nicht nur wegen seiner an Sleater Kinney geschulten Punk-Power, sondern auch, weil CSS hier in ihrer portugiesischen Muttersprache singen. Rhythm To The Rebels hat die schnippische Coolness und einen störrischen Beat wie einst Elastica, Partners In Crime glänzt mit einem tollen Break, dramatischem Piano und supersexy Gesang von Lovefoxxx, die es schafft, gleichzeitig mädchenhaft und selbstbewusst zu sein. „I’ve always been such an anxious girl / hurried up just to rule the world“ – diese Textzeile ist nur ein Beleg dafür.

Der absolute Höhepunkt ist aber Red Alert. Tanzbar, clever, aufregend, betörend, mega – damit haben CSS endlich einen legitimen Nachfolger für das irre Let’s Make Love And Listen To Death From Above gefunden, das ihnen einst den Durchbruch beschert hatte.

Ob La Liberacion für CSS die Befreiung vom Image als etwas minderbemittelte Agit-Dance-Punk-Band ist? Gut möglich. In jedem Fall ist es ein tolles Partyalbum geworden. Und Abfeiern kann manchmal schließlich das Befreiendste auf der Welt sein.

Für Videos war bei all dem Eifer wohl noch keine Zeit. Von Red Alert gibt es aber schon eine coole Live-Version:

httpv://www.youtube.com/watch?v=ohejoi8tnDY

CSS bei MySpace.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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