Hingehört: Dels – „Gob“

Auch das Cover von "Gob" hat Dels selbst entworfen.
Auch das Cover von „Gob“ hat Dels selbst entworfen.
Künstler Dels
Album Gob
Label Big Dada
Erscheinungsjahr 2011
Bewertung ****

Während der deutsche HipHop mittlerweile Auswüchse wie Bushido in Talkshows, Die Fantastischen Vier als langweilige Altmeister und Die Atzen (irgendwie ja auch) zu verantworten hat, feiert das Genre in England fröhlich Urständ. Der neuste Beleg: Kieren Dickens aus Ipswich, besser bekannt als Dels.

Fangen wir also mit dem Lobpreis an: Der NME findet Gob „unmissable“. Die Times hat in Dels „the future of UK hip-hop“ erkannt. Und der Guardian diagnostiziert eine Mischung aus Dizzee Rascal und Björk und fragt sich: „Who wouldn’t want to listen to a whole album of that?“

Die Lorbeeren sind berechtigt. Dels hat nicht nur einen ganz ähnlichen Flow wie Jay-Z. Genau wie der Jigga kümmert er sich auch selbst um alles, was mit seiner Musik zu tun hat. Das fängt bei den Videos an und hört bei Dels (der auch als Grafikdesigner tätig ist) erst bei der Schriftart im CD-Booklet auf. Und vor allem legt er mit Gob ein enorm vielseitiges, kreatives und unterhaltsames Album vor, das um so mehr beeindruckt, wenn man bedenkt, dass es erst sein Debüt ist.

Der Opener Hydronenburg erinnert mit seinen sanften Raps und den mächtigen Toms am stärksten an Jay-Z. Trumpalump (mit Joe Goddard von Hot Chip, der hier drei der Tracks produziert hat) hat eine verspielte Entspanntheit, die dem Stück aber nicht die Spannung raubt. Das irre Shapeshift schafft es sogar, mit einem Sample von Demis Roussos (!) zu beginnen und dann zu einer sagenhaft selbstbewussten Unabhängigkeitserklärung zu werden.

Das verwunschene Melting Patterns ist ebenso wie das durchgeknallte Violina mit Micachu entstanden. Dazwischen gibt es das famose Capsize (mit Gast-Raps von Roots Manuva). Moonshining mit seiner Vorliebe für plakative Electro-Sounds dürfte auch Mike Skinner gut gefallen.

Mit DLR (mit dem zauberhaften Gesang von Elan Tamara) gibt es sogar einen Moment, der inmitten dieser Ideenflut zum Innehalten taugt. Es ist der Auftakt zu einem irren Finale für Gob, in dem Dels die ganze Größe seines Talents beweist. Das reduzierte Droogs zeigt, warum Produzent Kwes, der hier für den Großteil der Tracks verantwortlich ist, auch schon mit The XX gearbeitet hat. Und der Titelsong ganz am Schluss des Albums hat trotz seiner Komplexität reichlich Power und all die Authentizität der Welt. Jede Sekunde dieses Tracks sagt ganz deutlich: Hör mich an! Man sollte dieser Aufforderung folgen.

Bilderrätsel: Irgendwo im geilen Video zu Shapeshift hat sich Joe Goddard von Hot Chip versteckt:

httpv://www.youtube.com/watch?v=NjAnmqecMKI

Dels bei MySpace.

 

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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