Künstler | Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen | |
Album | Jeder auf Erden ist wunderschön | |
Label | Tapete | |
Erscheinungsjahr | 2012 | |
Bewertung |
Als Fan ist man ja gerne enttäuscht, sogar persönlich beleidigt, wenn sich eine Band auflöst. Erst recht, wenn es um eine Band wie Superpunk geht, die nicht nur tolle Songs zu bieten hat, sondern dazu auch gleich einen Lebensentwurf mitliefert, in dem es darum geht, die wirklich wichtigen Dinge ganz nach oben zu stellen: Musik, Fußball, Kumpels, Liebe (nicht unbedingt in dieser Reihenfolge).
Die Tränen, die mit dem Ende von Superpunk vergossen werden mussten, können nun aber erstaunlich schnell getrocknet werden: Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen ist ein, jawollo, gleichwertiger Ersatz. Das liegt nicht nur daran, dass mit Sänger Carsten Friedrichs und Bassist Tim Jürgens zwei Superpunks dabei sind. Sondern auch daran, dass hier genau der Geist, Sound und Charme der Top Old Boys wieder aufersteht, kaum dass die Blumen auf dem Superpunk-Grab verwelkt sind. „Die Grundlage des Glücks bleibt der klassische Soul der sechziger Jahre, gespielt mit rotziger Punk-Attitüde“, schreibt Thomas Winkler bei Zeit Online treffend über das Debütalbum Jeder auf Erden ist wunderschön.
Als neue Mitstreiter gehören Schlagzeuger André Rattay (Ex-Blumfeld), Gitarrist und Saxophonist Philip Morton Andernach sowie Keyboarder Gunther Buskies (im Hauptberuf Chef von Tapete Records) zur Liga der gewöhnlichen Gentlemen. Und ein bisschen ist es mit dieser Besetzung wie im Fußball: Wechselt ein Spieler das Team, wird er womöglich beflügelt vom neuen Umfeld, kann in andere Rollen schlüpfen und bisher ungeahnte Tricks zeigen.
Schon der Titelsong am Beginn der Platte zeigt nicht nur die vertrauten Superpunk-Stärken, sondern auch ein paar neue Qualitäten. Zum Soul-Beat gesellen sich euphorisierende Streicher, Bläser und Chöre. Dazu wird eine Geschichte erzählt vom Gewinn auf der Pferderennbahn, der dann sofort verfeiert wird und im Kater mündet – am Ende bleibt trotzdem ein Rest von Zufriedenheit, und die Erkenntnis: „Jeder auf Erden ist wunderschön – sogar du.“
Diese kleine Gehässigkeit am Ende, die den Refrain mit nur zwei Worten davor bewahrt, ein Klischee zu werden, zeigt die ganze Klasse, die Carsten Friedrichs mittlerweile als Songwriter hat. Überall auf dieser Platte erzählt er mitten aus dem Leben, ebenso romantisch wie authentisch. In Frühling im Park (das auf Velvet-Underground-Sound setzt) reichen ein paar Wörter pro Zeile, um eine ganz besondere Atmosphäre und eine lebendige Szenerie zu erschaffen und noch eine gute Dosis Lebensweisheit dazuzupacken. Auch Ich lass mich gehen in letzter Zeit, das mit Flöten, Saxofon und Chören ebenso opulent wie filigran wird und somit Superpunk im besten Sinne des Wortes bietet, und Ein Fremder in der eigenen Stadt, das eine bekannte Superpunk-Thematik wieder aufgreift, passen in diese Kategorie.
„Die Texte von Carsten waren zwar noch nie angeberisch, aber sie scheinen nun noch mehr den Zauber des Alltäglichen beschreiben zu können“, lobt Jan Müller von Tocotronic, der den Pressetext zu Jeder auf Erden ist wunderschön verfasst hat. Das trifft zweifelsohne auf das herrliche Meine Jeans zu (Carsten Friedrichs: „Ich dachte mir, es sei eine gute Idee, mal ein Lied über meine Lieblingshose zu schreiben.“), das mit Handclaps und einer tollen Gitarre den frühen Beatles nacheifert.
Am deutlichsten wird diese Stärke aber, wenn es um Fußball geht. Die Gentlemen Spieler macht klar, dass es viel zu wenig Lieder gibt, die von der Unwiderstehlichkeit des Fußballs handeln, und wirkt wie der nachgereichte Titelsong zu Der ganz große Traum. Gar zum Therapeutikum wird Fußball in Nimm mich mit zum Spiel, das gerade deshalb so großartig ist, weil es nicht auf Mitgröl-Effekte oder Plakatives setzt, sondern in aller gebotenen Lässigkeit die unvergleichliche Stimmung eines Samstags im Stadion einfängt.
Der beste Song ist Mach mich traurig, ein famos beschwingtes Liebeslied, völlig ohne Glamour, aber mit ganz viel Herz. In Weine nicht, es ist nur ein Film und Der fünfte Four Top darf die Popkultur hochleben. „Wär’ die Welt perfekt, dann wär’ sie ein Song / von Holland/Dozier/Holland oder Barrett Strong“, heißt es in Letzterem. Wer solche Zeilen schreibt, der wird niemals die Hoffnung verlieren und zugleich seinen Hörern immer wieder neue Hoffnung machen – und sei sie auch nur auf Vinyl gepresst.
Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen amüsiert sich im Video zu Jeder auf Erden ist wunderschön prächtig:
httpv://www.youtube.com/watch?v=wA9YQDUh7RU