Künstler | Dinosaur Jr | |
Album | Hand It Over | |
Label | WEA | |
Erscheinungsjahr | 1997 | |
Bewertung |
Nach rund zehn Jahren, in denen J Mascis immer wichtiger und die anderen Bandmitglieder immer unwichtiger geworden waren, in denen Dinosaur Jr. nie an künstlerischer Kreativität und Glaubwürdigkeit verloren haben, in denen die Band stets zu den Speerspitzen des alternativen Rocks gehört hat, in denen die Gruppe beständig Platten mit bester Autofahrmusik veröffentlicht hat, nun also das Abschiedsgeschenk namens Hand It Over. Vor dem offiziellen Ende wenige Monate später lieferte die Gruppe noch einmal ein neues Album.
Und was für eines. Dinosaur Jr. haben sich noch einmal weiterentwickelt und ziehen auf Hand It Over alle Register. Schon der Opener ist eine Perle. Ein stumpfsinniges Riff, ein Hinterwäldler-Schlagzeug, dann aber der Gesang: Mascis singt wie eh und je, nämlich inbrünstig und desinteressiert gleichzeitig, und spätestens das Gitarrensolo führt I Don´t Think zur Vollendung. Never Bought It ist sogar noch besser. Profunde Rhythmik, dazu eine bescheidene Akustikgitarre und eine feine Orgelmelodie.
Sehr clever auch Nothin´s Goin On, das mit einer monotonen E-Gitarre beginnt, die aus zwei Akkorden eine ganze Strophe macht, dann aber von einem abstrakten Bass und einem komplexen Rhythmus überrumpelt wird.
I´m Insane wartet sogar mit einer Piccolo-Trompete auf – und gewinnt.
Denn die meisten Stücke auf Hand It Over haben mit dem breiteren Sound auch etwas mehr Aggressivität und Kraft gewonnen. Wo man sich auf Without A Sound zu den Songs noch hinbewegen musste, kommen sie einem jetzt ein Stück weit entgegen. So wird Can´t We Move This fast zur Folkrock-Nummer, die man so auch von den Gin Blossoms oder Counting Crows hätte hören können. Oder von Neil Young, der hier sowieso allgegenwärtig ist.
Herzzerreißend wird der Kampf von Alone, in dem die verwundete Stimme es mit übermächtigen Gitarren-Bataillonen aufnehmen muss. Am Ende zieht sie sich zurück und gibt das Schlachtfeld preis, das Schlagzeug feiert dort nun seinen Sieg – ein toller Anblick. Auch Sure Not Over You ist white soul, wenn auch mit ganz anderen Mitteln. Einer akustischen Gitarre, zwei Sahnehäubchen-Klavierakkorden und einem herrlichen Text („I felt so bad I wanna puke“), nämlich. Wundervoll.
Mick ist, man möchte es kaum glauben, ein fröhliches Liebeslied und: groovy. Ebenfalls leichtfüßig tänzelnd kommt Gettin‘ Rough daher; mit einem Banjo kann man auch kaum schwermütige Musik machen. Für Gotta Know packt J. Mascis dann noch einmal seine Frank-Black-Stimme und alle anderen Dinosaur-Jr.-Tugenden aus: mysteriöse Lyrik, die Musik immer ein wenig in den Seilen hängend, aber voller Stolz.
Ein würdiger Abgang, ein herber Verlust.
Auch laut will gelernt sein: Never Bought It live beim Bizarre-Festival 1997:
httpv://www.youtube.com/watch?v=UfBuLlcOqIo
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