Künstler | Element Of Crime | |
Album | Fremde Federn | |
Label | Universal | |
Erscheinungsjahr | 2010 | |
Bewertung |
Sag mir, wen Du magst – und ich sag Dir, wer Du bist. Die Formel ist ebenso einfach wie verlockend, vor allem für Musikjournalisten. Die machen sich gerne einen Spaß daraus, nach Einflüssen zu suchen und eine neue Band damit ohne großen eigenen sprachlichen Aufwand möglichst treffsicher zu verorten.
Noch einfach wird ihnen das Leben freilich gemacht, wenn eine Band sich für eine Coverversion entscheidet. Rammstein covern Depeche Mode? Aha, eine klar Verbindungslinie aus kaltem, düsteren Sound. Saint Etienne nehmen einen Song von Neil Young auf? Klarer Fall: Die wollen zeigen, dass auch ihr leichtgewichtiger Elektropop große, authentische Songwriting-Kunst sein kann. Madsen bauen live ein Stückchen von Sepultura ein? Keine Frage: Die Jungs wollen klar machen, dass ihr Horizont viel weiter reicht als bis zu den Toten Hosen.
All diese Verbindungslinien sind zwar reichlich naheliegend, aber das macht sie nicht zwangsläufig falsch. Welchen Song aus fremder Feder man sich aussucht, und welches Gewand man ihm dann in der eigenen Interpretation verpasst, sagt eben doch eine Menge darüber aus, wie eine Band sich selbst sieht. Man schmückt sich eben auch mit diesen Fremden Federn, aber darunter bleibt man immer noch derselbe. Für Element Of Crime, die nun eine Sammlung von 20 Cover-Versionen vorlegen, trifft das definitiv zu. „Für die Entwicklung unseres Sounds haben diese Aufnahmen eine große Rolle gespielt“, erklärt Sänger Sven Regener.
Nicht nur, weil sie 1990 bei einer Aufnahme des wilden Motorcycle Songs (Arlo Guthrie) plötzlich die Leichtigkeit im Studio entdeckten, was die spätere Arbeit auch am eigenen Material deutlich freier und entspannter werden ließ. Sondern auch, weil die Auswahl immer eine Reaktion auf die jeweils aktuelle Wahrnehmung von Element Of Crime war – man wollte sich also abgrenzen und erweiterte dadurch zwangsläufig den eigenen Horizont. „Meistens weiß ich nicht mehr, warum wir gerade diesen oder jenen Song und/oder Künstler ausgewählt haben, aber ich vermute, dass wir unbewusst oft solche wählten, die auf den ersten Blick stilistisch weit weg von uns unterwegs waren. Das ist die größere Herausforderung und im Erfolgsfall auch befriedigender.“
So haben sich Element Of Crime in den hier vertretenen 20 Jahren ihrer Karriere unter anderem die Beatles, die Pet Shop Boys oder die Bee Gees vorgenommen, aber auch Udo Lindenberg und Kurt Weill.
Die Lieder dürften knüppelharten Fans von Element Of Crime bereits bekannt sein, denn sie sind alle bereits erschienen, meist als B-Seiten, und nun hier noch einmal in einem Überblick versammelt. „Der einzig wahre Grund, warum wir uns für die Veröffentlichung dieser Compilation entschlossen haben, ist, dass wir die Lieder toll und die Aufnahmen gelungen finden, denn nur darauf kommt es am Ende an“, betont Regener.
Hört man Fremde Federn, kann man ihm unmöglich widersprechen. Stets nähern sich Element Of Crime mit viel Stil und Feingefühl dieses Songs, aber immer auch mit einer erfreulichen Portion Mut – und vor allem mit der erstaunlichen Fähigkeit, sich selbst die größten Klassiker zu Eigen zu machen. So wird Fremde Federn durch und durch zu einem Element-Of-Crime-Album und – was noch mehr überrascht – zu einer Platte, die aus Raum und Zeit gefallen scheint. Welche Songs hier 1989 und welche 2009 aufgenommen wurden, lässt sich kaum heraushören. Ob diese Musik ihre Wurzeln in der Wüste von Arizona, dem Hamburger Hafen oder einem Hinterhof in Bordeaux hat, kann ebenfalls kein Mensch beantworten. Und somit zeichnen die Auswahl und die Art der Bearbeitung dieser Lieder auf wunderbare Weise die Entwicklung dieser Band nach.
Schon bei Freddy Quinns Heimweh weiß man nicht recht, ob da nun ein Seemann singt oder ein Daheimgebliebener, der bloß von der großen weiten Welt träumt. In jedem Fall hat der Song eine erstaunliche Leichtigkeit. Vielleicht singt hier ja auch ein Zurückgekehrter, der merkt, dass er sein Heimweh jetzt bloß durch Fernweh ersetzt hat.
In It’s All Over Now, Baby Blue offenbart Sven Regener eine erstaunliche stimmliche Nähe zu Bob Dylan, dazu spielt er eine herrliche TexMex-Trompete. Udo Lindenbergs Leider nur ein Vakuum bekommt eine satte Dosis Jazz verpasst. Wilde Bongos laden das ansonsten ganz stoische Auf der Espressomaschine (Franz-Josef Degenhardt) mit Spannung auf. Der unterschätzte Pet-Shop-Boys-Klassiker You Only Tell Me You Love Me When You’re Drunk ist kaum wiederzuerkennen, so sehr wird er vom Element-Of-Crime-Sound vereinnahmt.
Die Höhepunkte sind die schrägsten Momente: Hamburg 75 (Gottfried und Lonzo) wird als Duett mit Andreas Dorau herrlich ausgelassen. Doraus Blaumeise Yvonne wird von einer seltenen Heiterkeit geflutet (samt Kinderchor). Die spartanische Version von Last Christmas, mit Bongos und ganz wenig Gitarre, klingt zunächst wie eine Persiflage, fast albern und clownesk – bis man merkt, dass die aufgeblasene Originalversion von Wham eigentlich viel lächerlicher ist. Und Alexandras Zwei Gitarren werden hier zu Stoner-Rock verwandelt.
Unterm Strich ist Fremde Federn ein beeindruckendes Dokument von Musikalität, Geschmack und Witz. Und der Beweis, dass sich Element Of Crime längst selbst gefunden haben – auch wenn Arlo Guthrie dabei ein bisschen mithelfen musste.
Die neue Pokerstars-Werbung? Nein, ein Spaß-Clip, der Lust auf die Fremden Federn macht:
httpv://www.youtube.com/watch?v=PofaaiGmZQM
5 Gedanken zu “Element Of Crime – „Fremde Federn“”