Eric Clapton – „Backtrackin'“

Künstler*in Eric Clapton

Viel Talent, selten ausgereizt: Das Beste von Eric Clapton.
Album Backtrackin
Label RSO
Erscheinungsjahr 1984
Bewertung

Ein wenig erstaunlich ist es schon, welche Verehrung Eric Clapton noch immer entgegengebracht wird. Fragt man Rockfans nach dem besten Gitarristen der Welt, landet sein Name immer auf den vorderen Plätzen. Schaut man sich seine Discografie an, finden sich reichlich Gold- und Platinscheiben, einige gar mit dem Grammy belohnt. Seine Konzerte sind ausverkauft, ob im Hyde Park oder in der Royal Albert Hall. Bei Kollegen von Bob Dylan bis Sheryl Crow ist er ein gern gesehener Gast und Mitstreiter.

Dabei macht der Mann eigentlich seit 30 Jahren nichts anderes, als unter seinen Möglichkeiten zu bleiben. Was Eric Clapton mit den sechs Saiten alles anstellen kann, hat er bei den Yardbirds gezeigt, bei John Mayalls Bluesbreakers und vor allem bei Cream. Eine in der Rockmusik selten dagewesene Virtuosität am Instrument gepaart mit einer feinen Gabe für Improvisationen. Wer 1966 „Clapton is God“ auf Londons Häuserwände schrieb, war vielleicht blasphemisch, hatte aber gute Ohren.

Doch danach war es vorbei mit der musikalischen Innovation. Möglicherweise lag es an der jahrelangen Heroinsucht Anfang der 1970er, dem übermäßigen Alkoholkonsum zehn Jahre später oder dem Tod seines Sohnes 1991. Wer so etwas durchmacht, ist vielleicht einfach froh, dass er überhaupt noch da ist – und begnügt sich mit Mittelmäßigkeit.

Dass er mit dieser brüchigen Stimme ausgerechnet als Sänger seine größten kommerziellen Erfolge feierte, und dass ein so begabter Musiker mit Fremdkompositionen seine ersten Solo-Hits hatte, ist fast schon grotesk. I Shot The Sherrif ist nicht mehr als eine ordentliche Adaption der Nummer von Bob Marley and the Wailers. Dylans Knockin´ On Heaven´s Door bekommt gleich auch einen Reggae-Touch verpasst, den es sogar ganz gut verträgt. Und schon wird Claptons Markenzeichen als Solokünstler deutlich: Genau, wie er die Gitarre eben mit der slowhand bedient, sind auch sein Gesang und seine Kompositionen ungemein laid back.

Auch die erste Eigenkomposition auf Backtrackin´ ist unangestrengt: Lay Down Sally bleibt trotz der Eisenbahn-Snaredrum vollkommen entspannt. Promises and Swing Low, Sweet Chariot sind wieder aus fremder Feder, aber ebenfalls perfekter Hängematten-Rock. Wonderful Tonight schließt den ersten Teil („Singles“) dieser Werkschau ab. Längst ein Kuschelrock-Klassiker der besseren Sorte. Der Text bringt es fertig, gleichzeitig chauvinistisch und romantisch zu sein, die Musik schmiegt sich an, der Gesang ist gerade durch seine Unvollkommenheit enorm charmant. Der Ringo-Starr-Effekt.

Teil 2 von Backtrackin´ nennt sich „History“ und bietet erst einmal drei Cream-Stücke. Sunshine Of Your Love zeigt schon den Weg: Blues als Ursprung, Jazz als Attitüde, Metal als Ziel. Die Gitarre omnipräsent, das Riff heavy und markig, das Schlagzeug ein Sklaventreiber. Auch auf Tales Of Brave Ulysses darf Ginger Baker seiner Vorliebe für Toms und Becken frönen, Clapton ist via Wah-Wah verdammt nah an Hendrix. Badge ist da gemäßigter, fast schon Pop, immerhin hat George Harrison daran mitgeschrieben.

Die „History“ beenden dann zwei Aufnahmen von Derek and the Dominoes. Am Hendrix-Cover Little Wing beeindruckt vor allem der zweistimmige Gesang, zu Layla muss nicht mehr viel gesagt werden, längst hat es Eingang gefunden in den Olymp der unsterblichen Rock-Riffs. Der weidwunde Gesang deutet allerdings auch schon an, welches emotionale Potenzial der Song hat, was Clapton dann ja bei den Unplugged-Sessions beeindruckend vor Augen geführt hat.

Den dritten Teil hat man „Classics“ genannt. Das war 1984. Heute könnte natürlich die ganze Platte so heißen. Die funky Version von Cocaine hat nämlich nichts von ihrer Anziehungskraft verloren. Creams Strange Brew mit der Slap-Gitarre brodelt bis heute. Auch Spoonful hat die All-Star-Band beeindruckend hinbekommen, schwer wie Blei und unter seinem eigenen Gewicht ächzend.

Ähnlich überzeugend gelingen auch Claptons Vocals beim steinerweichenden Have You Ever Loved A Woman, auf der die Stimme ausnahmsweise einmal fast genau so Blues ist wie die Gitarre. Presence Of The Lord, eine von Claptons stärksten Kompositionen überhaupt, ist der einzig vertretene Blind-Faith-Track: erst schwelgerisch wie immer, dann aufs Wah-Wah tretend und Fahrt aufnehmend.

Im letzten Teil gibt es fünf Stücke live. Crossroads als Cream-Kostprobe, Roll It Over als Derek and the Dominoes-Vertreter, drei Clapton-Solo-Stücke. Gerade der Abschluss von Backtrackin´ lässt dann doch erahnen, warum Slowhand bis heute nichts von seinem Renommee eingebüßt hat. Auf der Bühne hat Clapton die Freiheit, die ihn sein außergewöhnliches Können ausschöpfen lässt.

Eric Clapton, vielleicht auf dem Höhepunkt seines Könnens (und auf jeden Fall genau wie der Rest von Cream in einem grandiosen Outfit): Sunshine Of Your Love:

httpv://www.youtube.com/watch?v=Cqh54rSzheg

Eric Clapton bei MySpace.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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2 Gedanken zu “Eric Clapton – „Backtrackin'“

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