Künstler | Erland & The Carnival |
Album | Nightingale |
Label | Full Time Hobby |
Erscheinungsjahr | 2011 |
Bewertung | *** |
Ein bisschen sieht das nach Pyjamaparty aus, was sich da auf dem Cover von Nightingale abspielt, dem zweiten Album von Erland & The Carnival. Doch weit gefehlt: Das Foto zeigt Janet Hodgson, die hier vom in den 1970er Jahren berüchtigten Poltergeist aus Enfield heimgesucht und in ihrem Kinderzimmer herumgeschleudert wird.
Das ist durchaus sinnbildlich für Nightingale. Wenig ist hier so, wie es scheint. Das Trio aus London nahm diesmal auf einem 1918 gebauten Schiff auf, das auf der Themse vor Anker liegt. Das Schiff diente im Krieg dazu, getarnt als Passagierdampfer U-Boote anzulocken und zum Auftauchen zu bringen, um dann plötzlich Kanonen auszufahren und den Feind anzugreifen. „Es ist das Trojanische Pferd unter den Schiffen, und wir waren in seinem Bauch“, erzählt Drummer David Nock stolz.
Das Albumcover passt aber noch aus einem anderen Grund sehr gut. Nightingale hat durchaus die Ausgelassenheit und den Übermut, den man mit einer Pyjamaparty assoziieren würde. Zugleich ist die Platte aber auch unheimlich wie die Geschichte vom Poltergeist. “Wir wollten einen Soundtrack zu einem imaginären Horrorfilm schaffen, in dem es um das Übernatürliche geht“, erklärt Gitarrist Simon Tong die Herangehensweise, der zuvor bei The Verve und The Good, The Bad & The Queen seine Brötchen verdiente.
Tong ist außerdem gerade festes Bandmitglied bei den Gorillaz, und das ist der vielleicht beste Anhaltspunkt für den Sound von Erland & The Carnival. Hier wird mit großer Könnerschaft und allen modernen Studiotricks mit ganz vielen Genres gespielt. Auch Darwin Deez, der zwar viel positivere Musik macht, oder Hot Chip, auch wenn sie deutlich elektronischer agieren, könnten Bezugspunkte sein. Denn auch die lieben es, den Pop zugleich weiterzuentwickeln, zu zerstören und zu feiern.
Dass das auf Nightingale funktioniert, ist zum guten Teil auch der überaus wandlungsfähigen Stimme von Sänger Erland Cooper zu verdanken. Er kann Rock (der Auftakt So Tired In The Morning klingt wie ein Maximo-Park-Remix) ebenso gut wie stilvollen Sixties-Sound (Emmeline), eingängigen Pop (Springtime) oder zarte Folknummern (East & West).
Nur selten geht es vergleichsweise straight zu wie in This Night, das von Mando Diao stammen könnte, der verschlafenen Ballade Dream Of The Rood oder dem von Bongos angetriebenen I’m Not Really Here. Viel öfter klingt Nightingale tatsächlich wie ein Soundtrack oder ein Konzeptalbum.
“Last time, we came out saying we were reinventing folk, but people said we were taking really old folk into the 1970s. This one, we wanted to take something even older and make it even newer”, erklärt David Nock die Herangehensweise. Das beste Beispiel dafür ist Wealldie, das mit einem brutalen Stakkato beginnt, dann in eine kurze Disco-Phase übergeht und schließlich als sphärischer Computerblues endet. Auch das Elektro-Epos The Trees They Grow So High ganz am Ende oder Map Of An Englishman, das die kaputte Pop-Faszination aus Blurs schillerndster Phase ins 21. Jahrhundert trägt, sind Beleg dafür.
Ein bisschen ist es also bei Nightingale durchweg wie mit dem Coverfoto: Der Wahnsinn ist hier immer gleich um die Ecke.
Spooky? Das gilt in jedem Fall auch für das Video zu Map Of An Englishman:
httpv://www.youtube.com/watch?v=CI9cS6mw6pY
3 Gedanken zu “Hingehört: Erland & The Carnival – „Nightingale“”