Künstler | Fabian von Wegen |
Album | Emotionale Zitrone |
Label | It Sounds |
Erscheinungsjahr | 2013 |
Bewertung | *** |
Ein hübsches zweiseitiges Prospekt begleitete diese CD, als sie auf meinem Schreibtisch landete. Ein noch hübscheres achtseitiges Booklet enthält Emotionale Zitrone, das Debütalbum von Fabian von Wegen. Eine nicht ganz so hübsche Website mit ebenfalls acht Rubriken hat der Sänger ebenfalls zu bieten. Was sich in keinem dieser Medien findet: eine Ortsangabe. Woher Fabian von Wegen kommt, bleibt ein Rätsel.
Ein paar Indizien deuten zwar auf Osnabrück hin. Dort wurde Emotionale Zitrone aufgenommen, im Laufe der aktuellen Tour macht Fabian von Wegen gleich zweimal dort Station, die örtliche Zeitung berichtet, dass der Sänger schon seit Jahren in Niedersachsen für Aufsehen sorgt. Dass diese (oder eine andere) Stadt aber nirgends explizit erwähnt wird, kann man durchaus als Fingerzeig sehen: Der Ort, in dem Fabian von Wegen zuhause ist, ist seine Musik.
Emotionale Zitrone lässt keinen Zweifel daran, dass wir es hier mit einem Überzeugungstäter zu tun haben. Man merkt diesem Debütalbum an, wie groß die Freude sein musste, als Fabian von Wegen (nach dem Gewinn eines Nachwuchswettbewerbs und der Förderung durch die Initiative Musik GmbH) es das erste Mal in den Händen halten durfte. Hier ist einer am Werk, der seine Musik lebt.
Der offenkundigste Beleg dafür ist das schwarze Notizbüchlein, das Fabian von Wegen immer mit sich herum trägt, denn die Inspiration für einen Titel, eine Zeile oder einen ganzen Text kann ihn jederzeit treffen. „Ich gehe über eine Brücke und kritzele etwas hinein. Sitze im Bus und schreibe. Bleibe an einer Straßenecke plötzlich stehen und halte kurz fest, was mir gerade durch den Kopf saust. Bewusst unbewusst. Wenn ich es dann zuhause wieder aufschlage, stehen da Sätze. Schwarz auf Weiß, ohne Farbe dazwischen. Und während ich dann darin lese, aus dem Fenster schaue und sich die Töne aus meiner Gitarre schleichen, entpuppen sich die Sätze plötzlich als etwas ganz Neues“, umschreibt er den Entstehungsprozess seiner Lieder.
Dieses Assoziative hört man seinen Songs an. Es gibt einige Zeilen auf Emotionale Zitrone, die auf dem Papier ein wenig seltsam wirken, die aber Sinn machen (und im besten Falle sogar Lyrik werden), wenn Fabian von Wegen sie singt. „Mein Herz ist manchmal so kopflos / und mein Kopf kommt so herzlos daher“ im spartanischen Herzkopf ist so eine Zeile. Kurz vor Schluss findet sich in Es kommt noch ein Beispiel dafür: „Es kommt wie es kommt / und wenn nicht / kommt es trotzdem.“ Ganz viel Trotz steckt in dieser Logik, die Hoffnung, dass schon alles gut wird und die Erfahrung, dass man auch selbst etwas dafür tun muss.
Dieser Ansatz lässt sich durchaus als Grundthema ausmachen, über das dieses Album bei aller Spontaneität eindeutig verfügt. Schon im Opener Zwischen hier und Glücklichsein mit seiner Erkenntnis „Das Leben ist ein kompliziertes Ding“ wird es deutlich: Der Ausgangspunkt dieser Lieder ist oft das Unglück, zudem die Verwunderung darüber, wie viel man (ver-)sucht, um dieses Unglück zu überwinden, und das Wissen, dass man zu diesem Streben nach Glück letztlich doch keine Alternative hat.
Auch der Titeltrack, der mit seinen Swing-Anleihen an Gekommen um zu bleiben von Wir sind Helden denken lässt, verdeutlicht diese Mentalität: Fabian von Wegen mag vielleicht kein allzu fröhliches Naturell haben, vielleicht hat er trotz seiner jungen Jahre auch schon ein bisschen zu viel gelitten für naive Lebensfreude. Aber er weiß genau (und findet in dieser Gewissheit auch seinen Trost), dass man sein Leben selbst in die Hand nehmen muss, und damit auch seine Laune. „Was willst du eigentlich vom Leben“ fragt er provokant in Irgendwann vielleicht. Nicht nur wegen der Trompete erinnert das Stück, das beste Lied dieses Albums, an Element Of Crime – und wird ebenfalls zu einer Absage ans Selbstmitleid.
Neben diesem wohltuenden Credo glänzt Emotionale Zitrone mit einem wunderbaren Sound ohne eine Spur von Anbiederung an den Zeitgeschmack. Mit seiner Band (Jan David am Schlagzeug, Christian Plinke am Bass und Sebastian Wlodarczak an der Orgel) hat Fabian von Wegen die Platte komplett live eingespielt, produziert von Martin Englert. Dass dabei viel uraltes Equipment zum Einsatz kam, verleiht dem Album eine wohlige Wärme. „Das war für mich nie eine Frage, für mich als Skeptiker gegenüber Hightech und Computern“, betont Fabian von Wegen.
Besonders schön gerät Dein dich, das als schlaue, vollkommen bedingungslose Liebeserklärung den Abschluss des Albums bildet. Das Wissen darum, etwas Besonderes gefunden zu haben, und die Dankbarkeit dafür werden hier wunderhübsch besungen. Vogelfrei, das Fans von Clueso gut gefallen dürfte, klingt verspielt und herrlich optimistisch. Auch das schmissige Sie ist so wow! hat diese feine Leichtigkeit. Wenn im Text plötzlich klar wird, dass es „das gewisse Etwas“ auch im Plural gibt, dann kann man getrost eine geistige Nähe zu Verliebte Jungs von Purple Schulz unterstellen. Frau Meyer und Herr Schulze hat die traurige, authentische Sentimentalität einer Kettcar-Ballade.
Eine weitere, ziemlich erstaunliche Assoziation ruft Emotionale Zitrone ebenfalls hervor: Mindestens in zwei Liedern klingt Fabian von Wegen wie die männliche Entsprechung von Ina Müller (wäre das dann Ingo Müller?). Auf Eiskalte Frauen fällt er immer wieder herein, kann die dabei erlebten Enttäuschungen nach einer Weile aber irgendwie auch genießen. Arschlochmäßigsaugemein ist noch so eine Ausprägung der Liebe, von der er trotzdem nicht genug bekommen kann.
Das ist das schönste Markenzeichen von Emotionale Zitrone: der Optimismus, der in den Liedern von Fabian von Wegen steckt. Auch dann noch, wenn er von Trauer, Orientierungslosigkeit oder Liebeskummer singt.
Knutschen und Kettensägen bietet das Video zu Zwischen hier und Glücklichsein:
httpv://www.youtube.com/watch?v=Jj8dzOy2298
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