Künstler | Fitz & The Tantrums |
Album | Pickin‘ Up The Pieces |
Label | Dangerbird |
Erscheinungsjahr | 2011 |
Bewertung | *** |
Fast fünf Millionen Haushalte wandern pro Jahr in Deutschland von einem Ort zum anderen. Es ist also ziemlich wahrscheinlich, dass genau in diesem Moment irgendjemand auszieht, im Haus, in der Straße, in der Nachbarschaft, in der Stadt. Wenn das lustige Spiel von Parkplatz-mit-Campingstühlen-Absperren, spontane-Absagen-von-sonst-sehr-zuverlässigen-Freunden-Entgegennehmen und sich-schon-wieder-über-die-höchst-eindrucksvolle-aber-äußerst-unhandliche-und-zudem-ungelesene-Gesamtausgabe-der-Werke-von-Jean-Paul-Sartre-Ärgern irgendwo in der Nähe wieder losgeht, sollte man vielleicht einmal genau Hinschauen. Denn möglicherweise wird dabei Musikgeschichte geschrieben.
Bei Fitz & The Tantrums war das so. Michael Fitzpatrick, der Kopf der Band aus Los Angeles, bekam einen Anruf von seiner Exfreundin. Deren Nachbar zog gerade aus, und er ließ unter anderem eine alte Orgel zurück. Fitzpatrick schlug zu, schon am Abend stand das historische Instrument in seinem eigenen Wohnzimmer – und er komponierte darauf Breaking The Chains Of Love, einen lebensfrohen Soul-Stampfer, der alle Freunde von Aloe Blacc in Verzückung versetzen dürfte. „Sometimes, the Music God just gives it to you“, kommentiert Fitzpatrick diese Anekdote, die für ihn zum Schlüsselerlebnis wurde: “I’ve always been a singer. But (…) it never felt right until I wrote that song, and I sang like that. I thought: This feels so real, so natural.”
Der Song macht passenderweise den Auftakt auf Pickin’ Up The Pieces, dem jetzt auch in Deutschland erschienenen Debüt von Fitz & The Tantrums. Nicht nur, weil er die Initialzündung für die Entstehung der Band war. Sondern auch, weil er bereits die klanglichen Koordinaten vorgibt: Fitz & The Tantrums stehen für Soulmusik, die modern ist, aber die Vorbilder aus der Motown-Blütezeit bestens kennt. Und tatsächlich schaffen es Fitz & The Tantrums mit Pickin‘ Up The Pieces, diese Ära wieder auferstehen zu lassen. Sie haben (auch neben der legendären Orgel) die passenden Instrumente, um deren Klang zu reproduzieren. Sie haben genug Könnerschaft, um diesen Instrumenten auch die passenden Sounds zu entlocken (Fitzpatrick hat lange mit Beck gearbeitet, Keyboarder Jeremy Ruzumna gehört zur Crew von Macy Gray, Saxofonist James King stand schon mit De La Soul auf der Bühne, weitere Bandmitglieder sind gefragte Sessionmusiker). Sie haben aber vor allem auch die Songs.
Der Erfolg ließ deshalb nicht lange auf sich warten: Im Dezember 2008 spielten Fitz & The Tantrums ihr erstes Konzert, dann erschien die EP Songs For A Breakup Vol. 1 (ebenso wie Pickin’ Up The Pieces aufgenommen in Fitzpatricks Wohnzimmer), das Sextett trat in der TV-Show von Jay Leno auf, später folgte eine Tour im Vorprogramm von Maroon 5.
Dear Mr. President deutet mit dem hämmernden Klavier und der Stimme von Michael Fitzpatrick, die mehrmals an Tom Jones denken lässt, mehr als an, welche Wucht Fitz & The Tantrums im Konzert entfachen können. L.O.V. beginnt mit der berühmten Orgel, holt dann eine ganze Bigband rein, gönnt sich ein Klaviersolo und am Ende einen Abschiedsgruß mit einer Flöte. Höchst raffiniert und veredelt durch die Zweitstimme von Noelle Scaggs schmeichelt sich Winds Of Change im Gehörgang ein. Der Rausschmeißer Tighter lässt an Intensität und Herzschmerz nichts zu wünschen übrig.
Und dann ist da noch der Hit MoneyGrabber, vom Rolling Stone ganz richtig geschildert als „an angry, explosive singalong that could have been penned by Smokey Robinson“. In diesen 190 Sekunden kommen all die Energie, all das Können und all die Cleverness von Fitz & The Tantrums zusammen. Fein.
An der Frisur und am Tanz muss er noch arbeiten: Fitz & The Tantrums spielen MoneyGrabber in der Tonight Show von Jay Leno:
httpv://www.youtube.com/watch?v=47obBSiIc6o