Künstler | Frankie & The Heartstrings |
Album | Hunger |
Label | PopSex |
Erscheinungsjahr | 2011 |
Bewertung | **** |
Mein Gott, die Musik. Muss ganz schön was durchmachen. Für ganz schön viel herhalten. Für Thomas Carlyle ist sie „die Sprache der Engel“. Carl Ludwig Scheich sieht in der Musik „die Philosophie der Gefühle“. Bettina von Arnheim hat in ihr „die Berührung zwischen Gott und der Seele“ erkannt. „Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie“, meint Ludwig van Beethoven. Und für Oscar Wilde ist die Musik schlicht „der vollkommenste Typus der Kunst“, weil sie nie ihr letztes Geheimnis verrate.
Mag ja sein. Sie haben alle Recht. Es muss aber im Angesicht von so viel hochtrabenden Lobpreis auch gesagt werden: Musik ist einfach Spaß. Frankie & The Heartstrings sind der beste Beweis dafür. Das Quintett aus Sunderland ist auf Hunger, seinem morgen endlich auch in Deutschland erscheinenden Debütalbum, mit unverkennbarer Freude bei der Sache. Und, was noch viel besser ist: Hunger macht Spaß. Sehr, sehr großen Spaß.
Man hatte das schon ahnen können, denn fünf der zehn Lieder haben Frankie & The Heartstrings schließlich im vergangenen Jahr schon als Single veröffentlicht – und damit für reichlich Furore gesorgt. Das irre intensive Fragile war für Geoff Travis, den legendären Gründer von Rough Trade Records, die Platte des Jahres. Hunger braucht als Refrain nichtmal einen Text, sondern setzt gleich auf ein Bläser-unterstütztes „Ohoho“. Tender ist umwerfend catchy und schafft es, im Refrain nicht nur die Textzeilen „yeah yeah / whoo“ einzubauen, sondern auch noch ein Call-And-Response-Spiel zwischen Gesang und Gitarre. Das trotzige Want You Back hat die gespielte Verzweiflung der besten Eighties-Schmonzetten, dazu noch ordentlich Bläser-Power. Ungrateful verbindet eine New-Order-Gitarre mit einem grandios stoischen Bass und einem wildgewordenen Discobeat.
Auch der Rest von Hunger hält dieses Level. Der Opener Photograph beginnt mit einem hingehauchten Gesang, dann setzt eine Surf-Gitarre ein und danach geht es mit einem Rockabilly-Beat und irrem Schwung schnurstracks in Richtung Killer-Refrain, samt hysterischem Gesang von Frankie Francis. In It’s Obvious läuft dann der Bass Amok, der Rausschmeißer Don’t Look Surprised könnte ein Antwortsong auf Blondies Dreaming sein.
Dabei wird das Erfolgsrezept von Frankie & The Heartstrings schnell deutlich: Sie haben keinerlei Angst davor, theatralisch zu sein und mit längst etablierten Versatzstücken zu arbeiten. Ihr eigenes Label haben sie PopSex getauft. Ihre Songs sind genauso treffsicher und plakativ wie dieser Name – und sie zeigen ebenfalls diese verspielte Cleverness, die Frankie & The Heartstrings etwa mit Art Brut, den Young Knives, Hot Club de Paris oder den Good Shoes teilen. Quasi alles auf Hunger ist höchst eingängig, extrem mitreißend, zündet sofort.
Das könnte natürlich schnell berechenbar und oberflächlich wirken. Doch da ist nicht nur die Stilsicherheit von Edwyn Collins vor, der das Album produziert hat. Sondern auch ein Sound, der so rückwärtsgewandt ist, dass er vielleicht nicht zukunftsweisend, aber doch extrem selbstbewusst ist: Wie einst in den 1950er Jahren sind Schlagzeug und Gesang im Mix sehr präsent, der Bass wird eher als Melodie- denn als Rhythmusinstrument eingesetzt und dazu gibt es Orgel, Bläser oder mehrstimmigen Gesang. Alles wird dem Song und seiner Wirkung untergeordnet. Und die Ergebnisse sprechen für sich.
Mit so starken Songs, so viel Originalität und so viel Willen zum eigenen Stil kann man sich dem Fazit des NME nur anschließen: Hunger ist ein Debüt, „that’s less an album and more a manifesto”.
Hatte ich schon Fifties gesagt? Das Video zu Tender verlegt den Beat Club noch ein bisschen nach vorne:
httpv://www.youtube.com/watch?v=29A5jD2Hz4U