Gisbert zu Knyphausen – „Hurra! Hurra! So nicht.“

Künstler Gisbert zu Knyphausen

Pechschwarz: „Hurra! Hurra! So Nicht.“ ist wohl eine Trennungsplatte.
Album Hurra! Hurra! So nicht.
Label Pias
Erscheinungsjahr 2010
Bewertung

Gisbert zu Knyphausen hat ein Problem. Vor ziemlich genau einem Jahr gab es ein komplettes Live-Konzert von ihm als kostenlose Beilage zur deutschen Ausgabe des Rolling Stone. Seine höchst geschmackvollen Lieder mit ihrer großen amerikanischen Sehnsucht haben sicherlich viele Fans unter den Lesern gefunden. In diesen Tagen nun kommt sein zweites Album auf den Markt – und Gisbert zu Knyphausen ziert gerade die Startseite bei MySpace.

Seine Plattenfirma ist also der Meinung, dass diese Musik alte Säcke ebenso ansprechen könnte wie junge Hüpfer – und das ist schon eine gewagte These. Nach einem grandiosen Debüt, das aber doch ein Geheimtipp blieb, nun mit dem zweiten Album Hurra! Hurra! So nicht. zwischen diesen Polen nicht verloren zu gehen, dürfte keine leichte Aufgabe werden.

Gisbert zu Knyphausen hat aber noch ein Problem. Ein deutlich größeres. Er scheint kein allzu glücklicher Mensch zu sein. „Dieses Kettenkarussell meiner Ängste, das sich seit 30 Jahren dreht und mich nicht aussteigen lässt“, schildert er dieses Problem im untröstlichen Morsches Holz. Im zarten Melancholie schließlich nimmt er den Kampf mit der Marter auf. „Melancholie / Fick Dich ins Knie“, heißt die Parole.

Ganz offensichtlich verarbeitet Gisbert zu Knyphausen auf diesem seltsam verhuschten, unkonkreten Album einen Verlust. Es könnte der Tod eines geliebten Menschen sein, wie das wie betäubte Seltsames Licht vermuten lässt. Noch naheliegender ist allerdings der Verdacht, dass dies eine Trennungsplatte ist.

„Hey, hey, alles ist okay“ heißt die erste Zeile auf diesem Album, doch jede Sekunde von Hurra! Hurra! So nicht. straft diesen Auftakt lügen. Der Rausschmeißer Nichts als Gespenster trägt so schwer am eigenen Kummer, dass er am Ende wie zu sich selbst sagen muss: „Wach auf!“ Der Titelsong ahnt bereits, dass etwas zu Ende geht. Dreh Dich nicht um ist einen Schritt weiter, eine Abrechnung, eiskalt und bitterböse – auch, weil es hier schon wieder die Perspektive von Versöhnung und Nostalgie gibt.

Gisbert zu Knyphausen erweist sich wieder als famoser Poet und Romantiker. Seine Lieder sind so tief gefühlt, bedingungslos durchlebt und schlau formuliert wie das niemand sonst in Deutschland hinbekommt. Trotzdem ist Hurra! Hurra! So nicht. schwächer als das Debüt. Das liegt nicht daran, dass man sich sagenhaft schnell an dieses atemberaubende Niveau gewohnt hat. Es liegt daran, dass diesmal alles so schwarz ist wie das Cover oder eben Grau, Grau, Grau wie ein Lied hier heißt. Der trotzige Optimismus, der auf Gisbert zu Knyphausen noch einige der grandiosesten Momente hervorgebracht hat, ist diesmal leider verschwunden.

Es ist ähnlich paradox wie die Geschichte mit MySpace und dem Rolling Stone: Gisbert zu Knyphausen ist gerade erst 31 geworden. Aber hier hat er schon sein Alterswerk gemacht.

Eine irre intensive Live-Version von Dreh Dich nicht um:

httpv://www.youtube.com/watch?v=7x4NIPIvkhs

Gisbert zu Knyphausen bei MySpace.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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2 Gedanken zu “Gisbert zu Knyphausen – „Hurra! Hurra! So nicht.“

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