Künstler | Gomez | |
Album | Whatever’s On Your Mind | |
Label | Eat Sleep Records | |
Erscheinungsjahr | 2011 | |
Bewertung |
Ziemlich genau 43 Prozent aller Texte, die von Bring It On handeln, dem 1998 erschienenen ersten Album von Gomez, enthalten die Worte „Mercury Music Prize“. Kein Wunder: Mit diesem renommiertesten aller britischen Musikpreise wurde die Band aus Southport gleich für ihr Debüt geehrt. Aus gutem Grund: Gomez legten damals eine im Rock kaum gesehene Offenheit und Vielseitigkeit an den Tag, gepaart mit großer Könnerschaft an den Instrumenten und richtig guten Songs.
Gefühlte 80 Prozent aller Texte, die sich seitdem mit Gomez beschäftigt haben, enthalten das Wort „kernig“. Gemeint ist damit: handgemachte Rockmusik, mit rauer Stimme und patentem Drive. Wer ein Rolling Stone-Abo hat oder jahrelang die Reunion von Reef herbeisehnte, der schätzt so etwas. Für alle anderen aber gilt: „kernig“ ist ein gefährliches Wort. „Kernig“ bedeutet ein bisschen zu viel Blues, ein bisschen zu lange Gitarrensoli, ein bisschen zu viel Bier vor der Bühne. Vor allem aber: „kernig“ ist nicht sexy.
Die gute Nachricht bei Whatever’s On Your Mind: Gomez haben das jetzt auch gemerkt. „Sometimes we might have been a little trapped by our own muso-ness“, gibt Sänger/Gitarrist/Keyboarder Tom Gray zu, “but this album is liberating. It doesn’t feel at all stuffy and it’s a real joy.” Da kann man nur zustimmen: Auf seinem siebten Studioalbum klingt das Sextett wie in einen Jungbrunnen gefallen. Es gibt auf Whatever’s On Your Mind die sanfte Melodieseligkeit der The Shins, den jugendlichen Leichtsinn von Ash und dazu immer wieder hoch komplexe Rhythmen, die für viel Abwechslung sorgen, ohne Selbstzweck zu sein.
Der beste von vielen sehr guten Songs steht gleich am Beginn: Die Single Options ist heiter und ausgelassen, von Bläsern getrieben und durchaus vergleichbar mit dem hübschesten Momenten im Oeuvre von Fountains Of Wayne. Dann macht I Will Take You There deutlich, dass es keineswegs schlimm wäre, wenn Supergrass plötzlich altersmilde würden. Just As Lost As You hat einen riesigen Refrain, The Place And The People zeigt, wie U2 klingen könnten – wenn sie wieder mehr auf Melodien achten als auf Attitüde.
Auch die vergleichsweise gewagten Stücke funktionieren: Song In My Heart könnte mit seinem hoch universellen Refrain und dem (Achtung!) Computerbeat sogar eine Single von Pink sein. Der spannende Rausschmeißer X-Rays mit Disco-Drive und fieser Gitarre scheint einer Jam-Session von Pulp und den Queens Of The Stone Age entsprungen.
Zweimal wird es auch noch, pardon, kernig: In der opulenten Ballade Whatever’s On Your Mind holt Ben Ottewell, einer von drei Gomez-Sängern, noch einmal seine Reibeisen-Stimme heraus. Doch sie wird von soviel Eleganz und Streichern umgeben, dass das kein bisschen hemdsärmelig wirkt. Und im packenden Equalize scheint er eine Mardi-Grass-Parade anzuführen, mit Afrobeats und einem ganzen Partyvolk als Chor. Und das ist dann doch beinahe sexy.
Gomez spielen (etwas wackelig) die famose Single Options, live bei David Letterman:
httpv://www.youtube.com/watch?v=kBPYf7-EIMQ
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