Künstler | Graham Coxon | |
Album | A+E | |
Label | Capitol | |
Erscheinungsjahr | 2012 | |
Bewertung |
Graham Coxon war einmal der Gitarrist bei Blur. Das ist eine Information, die jedem halbwegs anständigen Musikfan vertraut sein dürfte. Es ist eine Nachricht, die so banal ist, dass wahrscheinlich nicht einmal N24 daraus eine Eilmeldung machen würde. Trotzdem soll dieser Satz hier am Anfang stehen.
Denn konnte man zu Beginn seiner Sololaufbahn noch den Graham an ihm lieben (also die Tatsache, dass er der genialste Cockney-Nerd diesseits von Jarvis Cocker ist) und wenig später die Tatsache, dass er ein paar Blur-Qualitäten in sein Oeuvre herübergerettet hat (Hits wie Bittersweet Bundle Of Misery oder Standing On My Own Again sind der beste Beweis), so steht bei A+E der dritte Bestandteil dieses Satzes im Zentrum: sein Dasein als Gitarrist.
Seine Gitarre ist das erste (und 16 Sekunden lang das einzige) Instrument, das man auf Graham Coxons achtem Soloalbum hört, und sie dominiert auch danach mehr als je zuvor. Es gibt ein gelegentliches Saxofon (wie im Effektfeuerwerk Meet And Drink And Pollinate), auch mal Synthies (What’ll It Take) oder eine Orgel (Bah Singer). Aber ansonsten lebt Coxon, der auf A+E lustigerweise mit Produzent Ben Hillier zusammenarbeitet (der vor zehn Jahren auch Think Tank verantwortet hat – das Album, das zu Coxons Ausstieg bei Blur führte), die Liebe zu seinem Instrument in allen Facetten aus.
“I wanted the hue and saturation to be on full. A lot of the demos that ultimately resulted in the songs were improvised”, erklärt er seinen Ansatz, und auch sonst stand diesmal die Methode “Weniger ist mehr” auf dem Plan: “I didn’t want to get caught up in my usual struggle with trying to make things sound really posh, you know? I didn’t want lovely 60s-sounding drums and valve amps.”
Das hat zur Folge, dass A+E leider keinerlei Hits zu bieten hat, auch wenn das gut tanzbare What It’ll Take und das melodisch feine Running For Your Life nah dran sind. Auch der Rausschmeißer Ooh, Yeh Yeh könnte ein Kracher sein (zumal bei diesem Titel), kommt aber mit akustischer Gitarre erst nicht recht in Schwung und wird dann am Ende ausufernd lärmend.
Eine Enttäuschung ist A+E trotzdem nicht. Zum einen finden sich noch ein paar höchst liebenswerte Elemente des Cockney-Nerds. Im stoischen City Hall mit seinem störrischen Drumcomputer (wenn es so etwas gibt) wiederholt er immer wieder eine einzige Zeile: „Going down to the city hall / a billion lights in front of me“. Er tut das so fokussiert, beinahe verblendet, dass man sich schon bald fragt, was er wohl plant am Ziel seiner Reise. Die Heirat mit einer Frau, von der er schon jetzt weiß, dass er sie in ein paar Jahren hassen wird? Einen Brandanschlag? Ein Massaker? Es kann nichts Gutes sein bei einem so düsteren Sound.
Auch What’ll It Take setzt auf den Reiz der Wiederholung. „What’s wrong with me“, will Graham Coxon am Ende immer wieder wissen, und allein die Intensität dieser Frage sorgt dafür, dass man sich um ihn sorgen muss. Einmal ist auch noch der Geist von Blur anwesend, nämlich ganz zu Beginn in Advice. Auf das angeblich frustrierende Leben als Rockstar blickt er da zurück, aus der Perspektive desjenigen, der es inzwischen besser weiß.
Vor allem aber ist A+E ein gutes Album geworden, weil Graham Coxon mit nur sechs Saiten hier schon wieder Wunderdinge verbringt. Als “the most gifted guitarist of his generation” hat ihn einst Noel Gallagher (!) bezeichnet, und man kann dem nur zustimmen. Was Coxon im abstrakten, fast instrumentalen Knife In The Cast anstellt, ist irre. Wenn er sich im hüpfenden Seven Naked Valleys austobt, dann steckt darin so viel Spielfreude, dass es kaum zu glauben ist.
A+E legt ein bisschen zu viel Augenmerk auf Sound (Coxon wollte im Studio gerne “that cheap headachey thing” hinbekommen, sagt er) und Spontaneität und ein bisschen zu wenig aufs Songwriting. Aber wenn man hört, was Graham Coxon alles aus seiner Gitarre herausholt und wie innovativ er nach wie vor mit diesem Instrument umgeht, dann kann man nur feststellen: All die angeblichen Gitarrenhelden, die sich mittlerweile gelangweilt der elektronischen Musik zuwenden, tun das offensichtlich nicht wegen der Beschränktheit der Möglichkeiten von Gitarrenmusik, sondern bloß wegen der Beschränktheit ihrer eigenen Fähigkeiten und Fantasie. Deshalb bleibt auch nur zwei Lösungen übrig für die Frage, was A+E wohl bedeuten mag: acoustic + electric. Oder noch besser: amplifiers + effects.
Fender hat Graham Coxon eine eigenes Gitarrenmodell gewidmet. Er freut sich:
httpv://www.youtube.com/watch?v=rbi_NZqlE4Y