Hingehört: Ina Müller – „Das wär dein Lied gewesen“

"Das wär dein Lied gewesen" bietet Klischees, Schablonen - und gute Balladen.
„Das wär dein Lied gewesen“ bietet Klischees, Schablonen – und gute Balladen.
Künstler Ina Müller
Album Das wär dein Lied gewesen
Label 105 Music
Erscheinungsjahr 2011
Bewertung **

Vorab: Ich mag Ina Müller. Die Frechheit, mit der sie sich durch Inas Nacht bechert. Ihre Stimme. Ihre Unverkrampftheit. Ihre Weigerung, im Fernsehen jeden Mist mitzumachen, um vielleicht ganz groß durchstarten zu können. Die Tatsache, dass sie überall als „authentisch“ gefeiert wird und doch zugibt, dass sie mit ihrem vorlauten, leutseligen Image nur die eigene Unsicherheit überspielen will.

Gestern ist nun Das wär dein Lied gewesen erschienen, das dritte hochdeutsche Album der Hamburgerin. Und darauf arbeitet sie leider fleißig daran, ihren Sympathiebonus zu verspielen. In 44 Minuten liefert sie tatsächlich gleich zehn Gründe, Ina Müller plötzlich nicht mehr gut zu finden.

1. „Das wär dein Lied gewesen / Doch zu Dir fällt mir einfach nichts ein / Das wär dein Lied gewesen / Doch Du reichst nicht mal für zweieinhalb Zeilen / Nein, es hat keinen Refrain und kein Happy End / Nicht mal ’nen Sound, den man wiedererkennt“, singt Ina Müller im Titelsong zu Beginn. Und genauso klingt das Lied dann auch.

2. In Die Nummer muss eine angedeutete Reminiszenz an die Lovecats von The Cure herhalten um einen Text zu rechtfertigen, für den jeder Mann im deutschen Musikgeschäft kastriert würde. „Die einzige Nummer, die ich mir heute merken kann / Ist die gestern mit Dir.“

3. In Ja ich will kann auch ein klitzekleiner Fetzen von En Vogues My Lovin’ nicht über völlige musikalische Belanglosigkeit hinwegtäuschen.

4. Seeed in sachte funktioniert nicht. Vor allem nicht, wenn man das Lied dann auch noch Paparazzia nennt.

5. „Mit Mitte 20 sind die Jungs noch süß / sind nicht so ranzig, nicht so feist und fies.“ Das ist so schlecht gereimt, dass man es nur verteidigen könnte, wenn es ein kompromissloses Statement für die Gleichberechtigung und sexuelle Befreiung der Frau wäre. «Bei der ersten Platte war ich noch in einer Beziehung, diesmal habe ich mich von meinen Erfahrungen als Single inspirieren lassen. Und da ist in drei Jahren einiges zusammengekommen, zum Glück», sagt Ina Müller prompt im Interview mit news.de über das neue Werk. Passend dazu kokettiert sie auch an anderen Stellen mit Männerverschleiß, flüchtigen Abenteuern und ihrem Spaß daran, eine Femme Fatale zu sein. Ist das etwa ein Versuch, sich als deutscher Rod Stewart zu etablieren?

6. Leider nicht. Diese Hoffnung wird schon im nächsten Lied zerstört. Darin singt Ina Müller davon, dass Männer im Zweifel die besseren Frauen sind. Zumindest, wenn es wirklich drauf ankommt. Gleichberechtigung heißt das Lied. „Ne Frau kann alles machen / aber bitte nicht mit mir“, heißt die Quintessenz. Schon wieder ein Fall von blödem Kalauer und billigen Sex-Anspielungen.

7. Trotz dieses bereits beachtlichen Niveaus schafft es das nächste Stück tatsächlich, noch einmal eine ganz neue Liga des schlechten Wortwitzes für sich zu beanspruchen. Britpop handelt von einem nicht mehr ganz jungen Mann, der in Erinnerungen an den Beginn seiner Beziehung mit Brit schwelgt. „Immer wenn ich Brit popp / hören wir Oasis“, singt Ina Müller da tatsächlich, und spricht das erste S in Oasis auch noch so weich, wie es nur die verachtenswerten Menschen tun, die sich im Radio immer bloß Wonderwall wünschen.

8. „Was verbirgt sich unterm Reißverschluss? / Streng verboten, reinzuschauen“, lautet der nächste misslungene Refrain. Natürlich ist es Absicht, dass man da, uiuiui, an Geschlechtsteile denken könnte. Es geht aber bloß um Handtaschen.

9. Podkarsten (kein Scherz!) will mit dem virtuellen Leben abrechnen, muss dann aber schnell einräumen, dass sich auf „googeln“ leider nur „abnudeln“ und auf „Clipfish“ bloß noch „Schreibtisch“ reimt. Immerhin: Eine erotisierte Abwandlung von Boris Beckers legendärem „Ich bin drin“ bleibt dem Hörer erspart.

10. Der Rausschmeißer Wenn du das erträgst versucht dann, auch noch im Sound verrucht zu werden, mit verschlepptem Beat, verhallten Gitarren und rauchigem Gesang. Wenn das Blues sein soll, dann ist Oli P auch Gangsta-Rap.

Für jemanden, der so sehr als Charakterkopf, Unikum und Typ gilt wie Ina Müller ist es erstaunlich, wie viele dieser Lieder problemlos auch von Juliane Werding oder Christina Stürmer oder gar Sebastian Hämer gesungen werden könnten. Es gibt hier so viele thematische Standards, Rollenklischees und musikalische Schablonen, dass es schlicht keinen Spaß mehr macht.

Zum Glück gibt es auf Das wär dein Lied gewesen aber auch Balladen. Und da zeigt Ina Müller, dass sie auch als Sängerin das Niveau erreichen kann, für das sie als Moderatorin gefeiert wird. Fast drüber weg ist wunderhübsch. Gar nichts gepeilt bringt herrlich ehrlich die Situation auf den Punkt, wenn der Kopf ganz laut „Ja, das ist der Richtige!“ schreit, das Herz aber leider ungerührt bleibt. Und Fremdgehen sehnt sich sehr zart nach der Zeit, als jede Begegnung noch voller Prickeln war. Beim nächsten Album sollte es mehr davon geben. Sonst ist der Bonus weg.

Bechern mit jungen Männern und schlechtem Wortwitz: Ina Müller zu Gast bei Kurt Krömer:

httpv://www.youtube.com/watch?v=Cg8kwXLMs78

Ina Müller bei MySpace (wo sie übrigens mehr als 13.000 Freunde hat, von denen keiner Podkarsten heißt).

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

Alle Beiträge ansehen von Michael Kraft →

Ein Gedanke zu “Hingehört: Ina Müller – „Das wär dein Lied gewesen“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.