Künstler | Jake Bugg | |
Album | Jake Bugg | |
Label | Mercury | |
Erscheinungsjahr | 2012 | |
Bewertung |
“Das am besten gehütete Geheimnis Liverpools.” (Noel Gallagher über The Stands)
“Absolut genial.” (Noel Gallagher über Secret Machines)
“Verdammt gut.” (Noel Gallagher über The Futureheads)
“Sie sind was Besonderes, Mann.” (Noel Gallagher über The Thieves)
“Besser als wir.” (Noel Gallagher über Cast und Ocean Colour Scene).
Das ist eine ziemlich erstaunliche Liste. Sie zeigt erstens, dass Noel Gallagher (von dem alle immer denken, er finde in erster Linie sich selbst großartig) viel öfter Lob verteilt, als man gemeinhin annimmt. Sie zeigt zweitens, dass Noel Gallagher (der zweifellos etwas von guter Musik versteht) nicht besonders gut darin ist, das nächste große Ding vorherzusagen.
Bands wie The Stands, Cast oder The Thieves kennt heute quasi nur noch die Putzfrau, die jeden Abend die Exponate im Britpopmuseum abstauben muss. Keine dieser Gruppen hat irgendeine nachhaltige Relevanz erlangt, und der Rückenwind aus dem Mund von Noel G war daran womöglich sogar mit Schuld.
„Das ist die Zukunft der Musik – als würde Bob Dylan auf die Arctic Monkeys treffen“, sagt Noel Gallagher nun über Jake Bugg. Und er wird froh sein, dass er endlich einmal richtig liegt: Ganz England feiert den Wunderknaben aus Nottingham. Die Stone Roses (und auch Noel selbst) haben ihn fürs Vorprogramm engagiert, der NME verehrt ihn als einen „frighteningly talented songwriter“, das Debütalbum stieg Ende Oktober direkt auf Platz 1 der UK-Charts ein. Jetzt kommt Jake Bugg auch in Deutschland raus.
Mindestens ebenso erstaunlich wie die Zitatliste am Beginn dieses Textes ist die Art und Weise, wie der 18-Jährige damit umgeht. „Ich glaube, Noel hat sie [Jake Buggs Lieder] einfach gehört und ihm haben sie gefallen“, lautet sein Kommentar dazu, dass der beste britische Songwriter der vergangenen 20 Jahre liebend gerne den Mentor für ihn spielt. Auch für seinen Erfolg in den Charts hat er eine äußerst unprätentiöse Erklärung: „Ich gebe zwar nicht besonders viel auf Lob und Komplimente. Aber in der Regel kommen die Leute nach den Konzerten zu mir und sagen, dass sie den Sound einfach erfrischend finden. Keine Ahnung, aber scheinbar ist es doch so, dass Gitarrenmusik immer dann zurückkommt, wenn irgendwer sie gerade mal wieder für tot erklärt hat. Die Leute sind einfach hungrig nach diesem Sound. Und ich hoffe, dass noch mehr Leute mal wieder eine Gitarre in die Hand nehmen, anstatt immer nur mit Synthesizern rumzuhantieren.“
Diese Aussagen zeugen nicht nur von einer wunderbaren Bodenständigkeit, sondern weisen auch schon den Weg zur wichtigsten Eigenschaft im Sound von Jake Bugg: Er ist auf der Suche nach dem Kern, dem Ursprung von Rock – sowohl emotional als auch historisch. Als seine wichtigsten Einflüsse zählt er Bob Dylan, die Beatles und Jimi Hendrix auf, und er sagt von sich: „Ich wäre sehr gern in den 60ern geboren worden, das wäre meine Zeit gewesen.“
Dieser Wunsch könnte auf diesem Debütalbum kaum präsenter sein: Einige der Songs klingen, als hätten sie schon 30 Jahre auf dem Buckel gehabt, als Bob Dylan seine erste Platte gemacht hat. Die Leidenschaft von Someplace (übrigens eines der ersten Lieder überhaupt, die Jake Bugg komponierte, im zarten Alter von 14 Jahren) ist so universell, dass der Track genauso gut ein halbes Jahrhundert alt sein könnte. Simple As This könnte aus dem Repertoire der Everly Brothers stammen, Note To Self könnte man sich problemlos auch von Simon & Garfunkel vorstellen. Das denkbar reduzierte Fire (nur Gesang und Gitarre, mehr braucht es auch nicht) baut zwar die Melodie von Kylies Can’t Get You Out Off My Head ein, scheint aber aus einem Grammophon zu kommen, von einer Schellack-Platte.
Auch wenn viele der Referenzpunkte weit zurück weisen, hat die Platte doch genug Aktualität, um nicht zur Pastiche zu werden: Im rasanten Lightning Bolt am Beginn der Platte ist die Gitarre zugleich auch Rhythmusinstrument, dazu kommt halbgenuschelter Sprechgesang – und natürlich muss man da an Bob Dylan denken (oder an Oasis, wenn sie mit Tracks wie Mucky Fingers versucht haben, sich in einen fünfköpfigen Elvis zu verwandeln). Taste It ist schöner Radau, wie ihn die frühen Rolling Stones geliebt haben (oder wie Black Rebel Motorcycle Club ihm in den kraftvollen Momenten von Howl nachgespürt haben). Broken hat eine opulente Melodieführung, wie sie Buddy Holly geliebt hätte (oder wie Lana Del Rey sie unlängst wieder salonfähig gemacht hat). Slide ist toll gesungen und herrlich arrangiert wie ein Donovan-Song (oder wie es The Verve in ihren besten Momenten geglückt ist).
Das Famose an Jake Bugg ist: Seine Lieder klingen nicht wie irgendwelche Stücke seiner Vorbilder, sondern oft genug wie deren beste Momente. Two Fingers, das in Deutschland als seine Debütsingle fungiert, ist ein grandioser Beweis dafür. Mit „I drink to remember / I smoke to forget“ gibt es einen unwiderstehlichen Einstieg, dann einen Monsterrefrain von Monkees-Ausmaßen, und dazu ein Thema, das sich immer wieder in diesen Stücken findet: „Scheiß drauf“, heißt die Attitüde. „Alles, was nervt am Leben, kann mich mal.“ Aber auch: „Das wird schon, irgendwie.“
Viele der Tracks handeln von einer Jugend ohne große Illusionen, in der es trotzdem niemals eine Option ist, den Glauben an Gerechtigkeit, Träume oder Liebe zu verlieren. Sie handeln „von meinem damaligen Leben, davon, wie mir… so vieles echt scheißegal war“, sagt Jake Bugg. „Ich bin nicht gerade besonders gut darin, das alles genau aufzudröseln, aber sie alle basieren auf persönlichen Erfahrungen. Wenn ich Texte schreibe, versuche ich ehrlich gesagt gar nicht so viel darüber nachzudenken; besser ist es doch, wenn man das alles einfach so aus sich heraussprudeln lässt.“
So wird Seen It All zu einer Momentaufnahme mitten aus dem Leben des jugendlichen Leichtsinns, wie es sonst allenfalls die Arctic Monkeys hinbekommen. Trouble Town, das im UK die Debütsingle von Jake Bugg war, beginnt mit einem Zweizeiler, der ebenfalls locker Alex-Turner-Niveau erreicht: „Stuck in speed bump city where the only thing that’s pretty / is the thought of getting out.” Der akustische Country Song verströmt einen wunderbar zarten Weltschmerz.
Dass hier mit Iain Archer (ehemals bei Snow Patrol), Matt Prime (unter anderem als Songwriter für Will Young und Saint Etienne tätig) und Crispin Hunt (der schon Material für Ellie Goulding, Florence & The Machine oder Natalie Imbruglia beigesteuert hat) auch ein paar alte Hasen als Co-Autoren mit am Werk waren, macht dieses Debüt kein bisschen weniger beeindruckend. Denn schon bald dürfte es eine Menge Songwriter geben, die von Jake Bugg lernen werden.
Das Video zu Lightning Bolt beweist: Jake Bugg klingt nicht nur nach Sixties, sondern sieht auch aus wie der junge Keith Richards:
httpv://www.youtube.com/watch?v=fY0oPg1h8fQ
Im März gibt es Jake Bugg live in Deutschland:
02.03.2013 Frankfurt am Main, Zoom
07.03.2013 Köln, Luxor
12.03.2013 Hamburg, Knust
18.03.2013 Berlin, Kleiner Postbahnhof
19.03.2013 München, Strom
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