Künstler | Jasmin Tabatabai | |
Album | Eine Frau | |
Label | Edel | |
Erscheinungsjahr | 2011 | |
Bewertung |
Singende Schauspieler – das endet fast immer in Peinlichkeiten. Jasmin Tabatabai ist schon immer eine Ausnahme von dieser Regel. Seit Beginn ihrer Karriere als Künstlerin fährt sie zweigleisig und kann mittlerweile auf fünf Alben zurückblicken, mit ihrer Ex-Band Even Cowgirls Get The Blues und als Solistin. Das aktuelle Werk ist sogar nur wegen dieses doppelten Talents entstanden. Denn die Idee zur neuen CD Eine Frau wurde bei den Dreharbeiten zum Film Gripsholm vor mehr als zehn Jahren geboren.
In dieser Literatur-Verfilmung spielte sie die Sängerin und Kurt-Tucholsky-Muse Billie Sunshine. Im Film sang sie in Jazzclubs, und der Schweizer Komponist David Klein, der für den Gripsholm-Soundtrack verantwortlich war, erkannte sofort ihr Talent für dieses Genre. «Seit dieser Zeit belagere ich sie, ein deutschsprachiges Album zu machen», sagt Klein. Nun hat er es geschafft und gemeinsam mit seinem Orchester die Musik für das neue Album von Jasmin Tabatabai beigesteuert.
«David hat komponiert, arrangiert und produziert. Ich kann mich allein aufs Singen konzentrieren, was für mich ein wahrer Genuss ist», erklärt Jasmin Tabatabai die Arbeitsweise. «Singen ist das, was ich überhaupt am liebsten mache, es ist Balsam für meine Seele und ich habe es in den letzten Jahren sehr vermisst», sagt die Deutsch-Iranerin, die sich zuletzt fünf Jahre lang auf Nicht-Musik-Projekte konzentriert hatte.
Eine Frau ist nicht nur deshalb ein erstaunliches Album, weil von Tabatabais Rock-Vergangenheit nicht einmal mehr Spurenelemente zu erkennen sind. Sie schafft es auch, sich diesen neuen Stil zwischen Jazz, Swing und Chanson voll und ganz zu eigen zu machen – und ihn vor allem nicht altmodisch klingen zu lassen. «Wir wollten nicht mit heraushängender Zunge dem Zeitgeist hinterher hecheln, sondern ein Album ohne Verfallsdatum machen», umschreibt Klein die Herangehensweise.
So gelingt es tatsächlich, dass sich eigens für dieses Album komponierte Stücke fast ohne Bruch an Lieder von Reinhard Mey (Herbstgewitter über Dächern), Oscar Straus (Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben) oder Egberto Gismonti (Agua e vinho) reihen, die hier neu interpretiert werden.
Den Auftakt macht – angesichts der Entstehungsgeschichte von Eine Frau muss man sagen: sinnigerweise – die Vertonung eines Kurt-Tucholsky-Gedichts. Augen der Großstadt ist höchst elegant, mit Besenschlagzeug, dezenten Streichern und bloß hingehauchtem Gesang. Gerade durch ihre Zurückhaltung schafft es die Musik, dem Text zu entsprechen, der die Monotonie des Alltags ebenso beleuchtet wie die unendlichen Möglichkeiten eines romantischen Moments.
Das Thema bleibt auch danach fast durchweg: Monogamie für Fortgeschrittene. Jasmin Tabatabai singt wissend und souverän über Versuchungen und Seitensprünge, Verletzungen und Treueschwüre. Sie ist mal ironisch, mal erotisch, immer frech und stolz – und erscheint damit schon sehr bald als Idealbesetzung für diese Platte. «Ich bin eine erwachsene Frau in den 40ern, und so möchte ich auch klingen», sagt sie.
In Kann denn Liebe Sünde sein wechselt sie problemlos zwischen kokett und schnodderig, Ich weiß nicht zu wem ich gehöre wird zur Feier der Weiblichkeit, auch andere Lieder können problemlos als Aufruf zur Emanzipation verstanden werden. Der Titelsong als herrlich entspannter Rumba betrachtet augenzwinkernd die Geschlechterbilder – die sich seit den 1920er Jahren schockierend wenig gewandelt haben.
Männer sind hier meist Gegner, aber keine, die man bekämpft oder verachtet, sondern solche, mit denen man spielt. Auch wegen dieser Perspektive verströmt Eine Frau eine sehr angenehme Unaufgeregtheit. Das sind Lieder, wie sie Bridget Jones unter der Dusche trällern könnte (Ein Brautkleid) oder wie sie Ina Müller singen würde, wenn sie das Kneipenbier plötzlich gegen einen Piccolo im Theaterfoyer eintauschen wollte (Nimm ihn dir).
Inmitten von ganz viel Wohlklang und virtuosen Soli bleibt die Stimme von Jasmin Tabatabai doch stets der Star dieser Platte. An ihrer Eignung als Musikerin kann nach Eine Frau wirklich niemand mehr zweifeln, und sie selbst liefert auch gleich die beste Erklärung dafür: «Man fragt mich oft, weshalb ich als Schauspielerin überhaupt singe. Dabei bin ich durch meine Schauspiel-Erfahrung doch geradezu prädestiniert, mich in die ‹Rolle› der jeweiligen Protagonistin eines Songs einzufühlen, um ihre Geschichte zu erzählen. Die Wandlungsfähigkeit, das Gespür für Dramaturgie, alles fließt in die Interpretation mit ein.»
Jasmin Tabatabei singt Eine Frau live in Berlin:
httpv://www.youtube.com/watch?v=tyjcyPSuOyM
Diese Rezension mit einer Fotostrecke zu singenden Schauspielern gibt es auch bei news.de.