Künstler | Joey Ramone |
Album | …Ya Know |
Label | Mutated Music |
Erscheinungsjahr | 2012 |
Bewertung | **1/2 |
Dubstep, Chillwave, Champeta? Man darf sicher sein: Würde Joey Ramone noch leben, würden all diese Trends an ihm abgleiten wie ein Spritzer Dosenbier an seiner Lederjacke. Der Ramones-Frontmann, 2001 an Lymphdrüsenkrebs gestorben, ist die ultimative Verkörperung des klassischen Rock’N’Roll-Spirit. Und der umfasst eben auch das Credo, seinem Sound, seinen Helden und seinen drei Akkorden treu zu bleiben. Ein Leben lang. Genau mit diesem Rezept ist Joey Ramone eine Ikone der Glaubwürdigkeit geworden.
Ein posthumes Soloalbum von Joey Ramone ist deshalb ein gewagtes Unterfangen. Seine erste Platte im Alleingang, Don’t Worry About Me, erschien zwar auch erst, als der Ramones-Sänger schon tot war, aber die Lieder hatte er alle noch rechtzeitig fertiggestellt. Nun liegt …Ya Know vor, und die Songs darauf entstammen einer Sammlung von Demos und unveröffentlichten Aufnahmen, die Joey in den letzten 15 Jahren seines Lebens produziert hatte. Ist das Leichenfledderei, mit der das Erbe einer Punk-Legende aufs Spiel gesetzt wird?
Mitnichten. Ausführender Produzent bei Ya Know war Joeys Bruder Mickey Leigh. Er hat die Songs, die durchweg von Joey Ramone geschrieben und gesungen wurden, ausgewählt und von vielen alten Weggefährten (unter anderem Joan Jett, die hier das 21st Century Girl gibt) aufpeppen lassen. Produziert wurde das Album unter anderem von Ed Stasium (der etwa die Ramones-Klassiker Leave Home, Rocket To Russia und Road To Ruin verantwortet hat). Und nicht zuletzt sind auch die Songs selbst stark genug, um aus Ya Know keine peinliche Angelegenheit werden zu lassen.
Schon das Lesen der Songtitel ist ein Vergnügen: Rock’N’Roll Is The Answer! Going Nowhere Fast! Party Line! Einerseits muss man sich fast wundern, dass es bisher noch keine Ramones-Songs gab, die derart hübsch plakativ benannt wurden. Andererseits lassen solche Titel jedes Herz höher schlagen, in dem zumindest ein bisschen Rock-Romantik steckt.
Die Musik dazu ist entsprechend traditionsbewusst. Der programmatische Opener Rock’N’Roll Is The Answer klingt wie The Adverts in den Siebzigern, Alice Cooper in den Achtzigern oder eben wie die Ramones bis zu ihrem offiziellen Ende im Jahr 1996. Es geht um Bier, Party und Ärger mit den Eltern, und es wäre in der Tat schade gewesen, wenn dieser Prototyp eines Joey-Ramone-Songs niemals das Licht der Welt erblickt hätte.
New York City wird eine kraftvolle, aber angemessen rotzige Hymne an die Heimatstadt, I Couldn’t Sleep hat ein paar Rockabilly-Gene und reichlich Coolness, das knackige What Did I Do To Deserve You? hätte gut ins Oeuvre das frühen Tom Petty gepasst.
Manchen Tracks hört man an, dass sie noch im musikalischen Umfeld der Achtziger und Neunziger entstanden sind. Das klingt dann einige Male tatsächlich arg altmodisch, sorgt aber andererseits auch dafür, dass die Lieder zumindest einen Rest von Authentizität behalten, sofern das bei dieser Entstehungsweise möglich ist. Ya Know zeigt Joey Ramone gelegentlich aber auch auf ungewöhnlichem Terrain. „Die stilistische Vielfalt des Albums könnte einige Leute überraschen“, warnt Mickey Leigh. „Ich bin mir sicher, dass viele Joeys künstlerisches Schaffen nach dem Hören des Albums in einem anderen Licht sehen; dass sie eine Seite an ihm kennen lernen, die ihnen zuvor verborgen geblieben war. Natürlich ist das hier der Joey wie wir ihn kennen und lieben, gleichzeitig sind aber Stücke auf dem Album enthalten, die anders sind als alles, was man zuvor von ihm gehört hat.“
Dazu gehört Waiting For That Railroad als Ballade mit leichtem Country-Einschlag. Das sehr schöne Party Line vermischt Buddy-Holly-Wehmut mit Motown-Feeling. There’s Got To Be More To Life Than This deutet Selbstzweifel an, zerstreut die dann aber mit einem Power-Refrain gleich selbst wieder. Make Me Tremble wird eine schöne, sanfte Ballade, die es sogar wagt, zumindest den kleinen Zeh kurz in Reggae-Gewässser zu tauchen.
Obendrauf gibt es zwei neue Versionen von bereits bekannten Ramones-Songs. Das hier deutlich entschleunigte Merry Christmas (I Don’t Want to Fight Tonight) entstand zusammen mit Mickey in Joeys Wohnung und kommt der Botschaft des Songs tatsächlich näher als das schmissige Original. Dazu gibt es eine Akustik-Version von Life’s A Gas (vom 1995er Album Adios Amigos), die noch einmal herrlich auf den Punkt bringt, wie perfekt die Ramones die Coolness von New York mit kalifornischer Entspanntheit verbinden konnten. Unterm Strich klingt Joey Ramone auf Ya Know genau so, wie sein musikalisches Vermächtnis: quicklebendig.
Mickey Leigh stellt die Entstehungsgeschichte und die Gäste auf Ya Know vor:
httpv://www.youtube.com/watch?v=9tY_baTZfV0
2 Gedanken zu “Hingehört: Joey Ramone – „Ya Know“”