Künstler | Jonathan Jeremiah |
Album | Gold Dust |
Label | Island |
Erscheinungsjahr | 2012 |
Bewertung | ** |
„Wenn du in Großbritannien mit einer Akustikgitarre auf die Bühne kommst, halten sie dich für einen weinerlichen Hippie“, sagt Jonathan Jeremiah. Er muss es wissen, schließlich kommt er aus dem Norden von London (genauer gesagt: aus der Chatsworth Ave., die er hier in einem Lied sogar besingt). Und dort hat er schon von einer großen Karriere als Musiker geträumt, als er noch als Wachmann in der Wembley Arena gearbeitet hat und weit davon entfernt war, einmal auf der Bühne seine eigenen Lieder singen zu können.
Trotz der Abneigung der Briten gegen Akustikbarden (die in seinem Fall mit Bart und wilder Lockenpracht auch noch aussehen wie der Urvater aller Hippies) entschloss er sich, es als Singer-Songwriter zu versuchen. Seine Landsleute konnte er damit zwar kaum begeistern, doch auf dem Kontinent war sein Debüt A Solitary Man ein veritabler Erfolg. Mit Gold Dust legt er nun nach.
Das Problem der Platte: Jonathan Jeremiah ist viel zu wenig Singer und viel zu sehr Songwriter. „Ich glaube, das Hauptproblem ist, dass es heutzutage fast verpönt ist, ein richtiger Musiker zu sein“, sagt der 32-Jährige, und man hört Gold Dust an, wie viel Wert er hier auf echtes Können gelegt hat. Einige der Lieder wurden in einem großen Aufnahmestudio der alten Schule vor den Toren Amsterdams aufgenommen, und man sieht förmlich die Notenblätter vor sich, die korrekten Frisuren im Orchester, das Kopfschütteln von Dirigent Jules Buckley bei kleinen Ungenauigkeiten. Aber so gut Jonathan Jeremiah als Autor sein mag, so enttäuschend ist er hier als Persönlichkeit – und vor allem als Sänger.
Es gibt kaum ein schlechtes Lied auf Gold Dust, aber auch keines, das wirklich zündet. Das liegt in erster Linie am limitierten Gesang. Jonathan Jeremiah singt mitunter wie ein Platzhalter, als wollte er hier nur den Melodieverlauf andeuten, an dem sich später ein anderer Sänger orientieren kann, für den der Song wirklich gedacht ist, der diese Lieder wirklich lebt. Vieles klingt vorläufig, anderes wirkt angestrengt und bemüht – und immer dann, wenn es wirklich emotional werden müsste, bleibt bloß eine Stimme wie die von Chris Martin, wenn der eines Tages alle Hoffnung fahren lassen sollte.
Der Titelsong Gold Dust steht am Beginn des Albums. Das Lied handelt von einer durchgemachten Nacht in einem Club in Berlin und verwandelt sich mit mächtigen Filmmusik-Streichern in eine bedingungslose Liebeserklärung, der aber gerade wegen ihrer Opulenz die Glaubwürdigkeit fehlt. Fighting Since The Day We Were Born, in dem Jonathan Jeremiah den Tod seines Vaters thematisiert, beginnt gleich mit einem kompletten Orchester, aber die Bedrohlichkeit, Urgewalt oder auch nur die gruselige Faszination des Donnersturms, den er da besingt, nimmt man ihm nicht ab.
Auch Everyday Life, in dem er das ganz durchschnittliche Treiben beschreibt, das ihm nach dem hektischen Leben auf Tour plötzlich besonders vorkommt, hat ein tolles Arrangement, aber man hört nicht das Ringen, Kämpfen und Leiden, dass es erst wirklich beeindruckend gemacht hätte, zu solch einem Ergebnis zu kommen. Lazin’ In The Sunshine ist altmodischer Gute-Laune-Pop im Stile von Fool’s Garden oder der Pearlfishers. Das lahme The Time Of Our Lifes zeigt mit seinem Sixties-Flair ebenfalls, wie gerne sich Jonathan Jeremiah an vergangenen Zeiten orientiert. Und wenn er eine Piano-Ballade wie Forever Shall Be Yours singt, dann klingt das auch eher nach Billy Joel als nach Ben Folds.
Trotz des nicht zu leugnenden Willens, es hier allen zu beweisen, im ganz großen Stil, überzeugen frappierenderweise am ehesten die Stücke auf Gold Dust, die vergleichsweise bescheiden daherkommen. Im akustischen Shout ist Jonathan Jeremiah ganz er selbst, auch All We Need Is A Motorway (über den Traum von der Flucht aus dem Trott des Alltags) gehört zu den gelungenen Momenten. Das hübsche Caffeine & Saccharin, in dem auch ein ausgewachsener Kater nicht ausreicht, um am frühen Morgen schon Zuversicht und die Gewissheit von Glück in die Flucht zu jagen, ist kurz vor Schluss der beste Song – aber letztlich das einzige Stück auf Gold Dust, das nicht von seiner eigenen Harmlosigkeit und Beliebigkeit verschlungen wird.
Nett, aber nichtssagend – das gilt auch fürs Video von Lazin‘ In The Sunshine:
httpv://www.youtube.com/watch?v=Db1UCGwfWCo