Künstler*in | Kaizers Orchestra | |
Album | Violeta Violeta Vol. 2 | |
Label | Petroleum | |
Erscheinungsjahr | 2012 | |
Bewertung |
Besonders schwierig ist das nicht. “Violeta Violeta ist inspiriert von Filmen und Regisseuren wie Tim Burton”, sagt Janove Ottesen über die aktuelle Trilogie von Kaizers Orchestra. Das könnte ein Trick sein, der auch bei anderen Bands sehr beliebt ist: Nenne einen Schriftsteller/Maler/Regisseur, der dich diesmal angeblich entscheidend beeinflusst hat, und schon hast du das Feuilleton an der Angel – und klingst mächtig bedeutend.
Bei Violeta Violeta Vol. II, das am kommenden Freitag erscheint, liegt die Sache freilich anders. Die Geschichte der Titelfigur (zusätzlich zu den Songtexten sind im Booklet so etwas wie Liner Notes zu jedem Lied abgedruckt, die den Fortgang des Plots erklären) könnte durchaus tatsächlich als Stoff für einen Tim-Burton-Film taugen: Es geht um Violeta und ihre entführte Tochter, eine Schnittstelle zwischen Traum und Wirklichkeit und sieben Eimer voller Tränen, die in sieben Jahren gefüllt werden (für viel mehr Einblicke reicht mein Norwegisch nicht). Aber vor allem macht das Sextett aus Bryne, wie schon beim ersten Teil der Trilogie, auch auf Violeta Violeta Vol. II eine Musik, die so abwechslungsreich, überraschend und gelegentlich irritierend ist, dass der Verweis auf Tim Burton definitiv gerechtfertigt erscheint.
“Die Kombination aus der Musik, die wir machen, und den Geschichten, die wir erzählen, in meiner Sprache und dem Dialekt, ist etwas, das vorher so noch nicht vorkam. Die Leute machten Pop, und plötzlich kamen wir und machten mit unserer Sache auf uns aufmerksam. Wir machten etwas anderes. Genau da wollten wir hin. Und das machen wir immer noch”, umschreibt Ottesen den nach wie vor höchst wirkungsvollen Ansatz des Kaizers Orchestra.
Zu Beginn meint man freilich kurz, mitten in die Wiedergeburt von Jet geraten zu sein. I Ett Med Verden beginnt mit einem einnehmenden Riff und zupackendem Schlagzeug (inklusive Kuhglocke) und biegt dann schnurstracks auf einen höchst spektakulären Kings-Of-Leon-Boulevard ein. Am Ende wird das Lied aber viel fantasievoller (man kann auch sagen: durchgeknallter) als es diese beiden je sein könnten.
Auch Stov Og Sand ist danach angenehm chaotisch (und irgendwie funky), Tusen Draper Regn vermählt ein Libertines-Riff mit einem Marschrhythmus und einer Western-Gitarre. Ein absolutes Highlight ist die erste Single Drøm Videre Violeta: Die Stimme klingt plötzlich sanft wie Ben Folds, die Musik dazu hat mit Streichern und einem leidenschaftlichen Refrain all die besten Eigenschaften einer Aerosmith-Powerballade, und irgendwie schaffen es Kaizers Orchestra, diesen Mix schlüssig klingen zu lassen.
Bei Tom Waits und den düstersten Auswüchsen von Gypsy ist Far Til Datter geschult. Ein Banjo und ein Kontrabass sorgen für das gespenstische Grundgerüst, sodass die Zeile „kom til papa kom“ rein gar nichts Fürsorgliches oder Zärtliches mehr hat – zumal dann auch noch ein Kinderchor zu hören ist, der direkt aus dem Kellerverlies von Josef Fritzl zu singen scheint. In Faen I Baten darf die Kuhglocke wieder ran, dazu kommen ein halsbrecherisches Tempo und eine Surfgitarre; das Ergebnis klingt wie Madness im Aggro-Modus oder die Hives auf dem Rummelplatz.
Das letzte Drittel von Violeta Violeta Vol. II kann dieses Niveau leider nicht ganz halten. Gresk Komedie ist ein cooler Boogie mit gebrochenem Beat, Silver wartet gar mit einem Rap à la Eminem auf, Domino besteht zu etwa 98 Prozent aus David Bowie. Erst ganz am Schluss, mit Den Romantiske Tragedien (geiler Titel!) wird es noch einmal richtig stark: Der Rausschmeißer klingt zerbrechlich, schüchtern und sexy und macht in jedem Fall Lust auf den Abschluss der Trilogie, der Ende des Jahres erscheinen soll. Bis dahin können Kaizers Orchestra ja noch ein paar Singles auskoppeln und Videos dazu drehen – gerne auch unter der Regie von Tim Burton.