Künstler*in | Kaizers Orchestra | |
Album | Violeta Violeta Vol. III | |
Label | Petroleum | |
Erscheinungsjahr | 2013 | |
Bewertung |
Was macht man bloß, wenn man eine Trilogie abschließen soll, deren erste beide Teile bereits zum Bersten gefüllt waren mit Leidenschaft, Ambition und Klassesongs? Im Falle von Kaizers Orchestra setzt man einfach noch einen drauf. Oder zwei. Violeta Violeta Vol. III ist ein unfassbares, atemberaubendes, im besten Sinne unerhörtes Album.
Kurze Rückblende: Im Jahr 2011, dem zehnten Jahr ihres Bestehens, kündigten Kaizers Orchestra eine Trilogie an. Das Sextett aus Norwegen wollte in drei zusammenhängenden Alben die Geschichte von Violeta, ihrer Mutter Beatrice und ihrem Vater Kenneth erzählen. „Es geht um die Kraft der Träume, um wahre und falsche Liebe, Betrug und Verrat, die verführerische Macht des Wodkas, und schließlich erscheint der Teufel auf der Bildfläche, als Doppelspieler, der verführt und richtet“, klärt die Plattenfirma auf.
Man kann auf diesen Plot aus den Texten schließen (wenn man Norwegisch kann). Zur Sicherheit ist der Fortgang der Handlung aber im Booklet auch noch einmal nachgezeichnet. Man kann diesen Hintergrund aber auch vollkommen ausblenden und sich einfach dieser ebenso ausgereiften wie abenteuerlustigen Musik hingeben. Schon Teil 1 der Trilogie bot sagenhaft intensive Lieder. Teil 2 gefiel mit hoch kreativen Rocksongs. Mit Violeta Violeta Vol. III schießen Kaizers Orchestra nun den Vogel ab.
Nehmen wir zum Beispiel Aldri Vodka, Violeta. Der dritte Track des Albums beginnt mit Piano und Streichern, einer tollen Melodie und viel Inbrunst. Dann wird daraus plötzlich eine Prog-Rock-Attacke, bevor ein Orchester mit himmlischen Trompeten und sanften Geigen das Lied auf einen eigenen Planeten entführt, der um einen seltsamen Chor kreist. Und mit dieser komplexen Dramaturgie ist Aldri Vodka, Violeta noch eines der reduziertesten Stücke auf dieser Platte.
Es ist schlicht sagenhaft, was Kaizers Orchestra in diesen zehn Tracks und 61 Minuten veranstalten. Ein so profaner Begriff wie „Rocksong“ wäre eine Beleidigung für die meisten dieser Stücke. Stattdessen wagt es die Band, in alle musikalischen Richtungen zu denken und sich alles zuzutrauen – inklusive Verstärkung durch das Symphonieorchester Stavanger. Janove Ottesen (Gesang), Geir Zahl (Gitarre), Terje Winterstø Røthing (Gitarre), Helge Risa (Orgel), Rune Solheim (Schlagzeug) und Øyvind Storesund (Bass) haben den Mut und die Fähigkeiten, im ganz großen Maßstab zu denken – als Bezugspunkt kann man da allenfalls noch die späten Beatles heranziehen.
Perfekt I En Dröm ist schockierend schön, wie Röyksopp ohne Beats, Siste Dans scheint Jay-Zs Hard Knock Life in einen intelligenten Rocksong zu verwandeln. Ein Megafon-Sprechgesang und Heavy Metal werden in Satan I Halsen problemlos zusammengeführt. Markedet Bestemmer setzt auf eine Sitar, Südstaatenrock und Peer Gynt-Anleihen, um am Ende dreimal so episch zu werden wie Queen und Muse zusammen.
In Begravel Sespolka stecken gleich zu Beginn des Albums mehr Ideen, als manche Bands in ihrer ganzen Karriere aufbieten können: Auf ein entferntes Klavier folgt ein Balkan-Trauermarsch, dann die Stimme eines geistesgestörten Herolds, ein Donkosakenchor und schließlich eine Passage à la Brecht/Weill. Forloveren vereint zu einem Offbeat schräge Streicher, arabische Elemente, und einen hymnischen Beatles-Refrain mit etwas, das erst wie der Soundtrack zu Sweeney Todd klingt, und dann wie gottverdammte klassische Musik.
Tvilling ist ein Klanggemälde, das im Kopf Bilder von Wüste, Seefahrt und einem Ball am königlichen Hofe entstehen lässt. Sollte James Bond jemals eine Verfolgungsjagd absolvieren müssen, die ihn aus einem Zirkus über einen Basar hin zum Kreml führt, dann wäre Det Polaroide Liv der perfekte Soundtrack dazu. Und ganz am Ende von Violeta Violeta Vol. III steht mit Seksløver eine tolle Ballade, die vermuten lässt, dass die Geschichte der Titelfigur ein Happy End hat.
„Durch das Arrangement mit dem Symphonieorchester erhalten wir einen komplett neuen Sound, behalten aber gleichzeitig all das bei, was Kaizers Orechstra ausmacht. Man könnte sagen, dass die Evolution von Kaizers Orchestra mit Violeta Violeta Vol. III ihren Höhepunkt erreicht“, sagt Frontmann Janove Ottesen über die neue Platte. Den Konjunktiv hätte er problemlos weglassen können, denn noch mehr Qualität ist kaum vorstellbar. Wenn man ein leeres Blatt Notenpapier ist, dann kann einem derzeit wenig Besseres passieren als in die Hände von Kaizers Orchestra zu geraten.
Kaizers Orchestra (und ein paar wenige Gäste) spielen Forloveren live:
httpv://www.youtube.com/watch?v=a4DW9kUxCO4