Künstler | Kate Bush | |
Album | Director’s Cut | |
Label | Boble & Brite | |
Erscheinungsjahr | 2011 | |
Bewertung |
An Mut, Kreativität und Intensität in der Beschäftigung mit dem eigenen Werk hat es Kate Bush nie gefehlt. Mit Director’s Cut bestätigt die „ungewöhnlichste Solokünstlerin, die England jemals hervor gebracht hat“ (NME) diesen Standard. Und trotzdem verwirrt sie. Directors Cut, ihre erste neue Platte seit sechs Jahren, ist eigentlich gar nicht neu, sondern irgendetwas zwischen einem Remix, einem Sequel und einem Sampler. Die CD versammelt Lieder von The Sensual World (1989) und The Red Shoes (1993), in neuen Versionen.
„For some time I have felt that I wanted to revisit tracks from these two albums and that they could benefit from having new life breathed into them. Lots of work had gone into the two original albums and now these songs have another layer of work woven into their fabric”, erklärt die 52-Jährige ihre Motivation im Guardian. Und sie fügt ganz frech an: “I think of this as a new album.”
Man kann darüber streiten. Vor allem, weil Kate Bush immer eine Künstlerin war, die totale Kontrolle über ihr Werk beanspruchte. Sie nimmt längst im eigenen Studio auf und veröffentlicht ihre Platten auf ihrem eigenen Label. Es gibt also niemanden, der ihr hineinredet – und gerade deshalb sollte man erwarten können, dass ein Künstler sein Werk als Dokument einer Schaffensphase versteht, das durch nachträgliche Retuschen womöglich dieses Wertes enthoben wird.
Kate Bush schert sich nicht drum. Einige der Songs wurden neu abgemischt, andere komplett neu eingespielt, bei allen hat Kate Bush neuen Gesang beigesteuert und dem Opener auch einen neuen Text angedeihen lassen. Hier kommt vielleicht am besten zur Geltung, was ihre Beweggründe bei Director’s Cut waren: Ursprünglich wollte sie das Lied schon 1989 mit einem Text aus James Joyces Ulysses versehen, doch den durfte sie damals nicht verwenden, sodass sie eigene Lyrics verfassen musste – das Ergebnis wurde der Titelsong ihres sechsten Albums. Nun fragte sie einfach noch einmal bei den Joyce-Erben an – und diesmal bekam sie das Okay. Flower Of The Mountain heißt der Track nun, und nach wie vor stellt Bushs vier-Oktaven-Stimme mühelos ein komplexes Soundbett aus Dudelsack, Bass und Geige in den Schatten. Das Glockenläuten steht hier gleich am Anfang – noch ein Beispiel für Kate Bushs Vorliebe für auf den Kopf gestellte Konventionen.
Es folgen viele Highlights. Die Zeile „don’t want your bullshit“ zischt sie in Song Of Solomon herrlich bedrohlich – das geht mindestens so durch Mark und Bein wie Alanis Morissettes You Oughta Know. Auch auf Never Be Mine und dem sinnlichen And So Is Love deutet sie mehr als an, warum die Village Voice sie einmal “einen menschlichen Synthesizer” genannt hat.
Insgesamt sind die Songs durchaus, wie es Kate Bush gewünscht hatte, ein Stückchen wärmer geworden als die Originale. In puncto Virtuosität (an den Instrumenten sind hier Könner wie Eric Clapton, Nigel Kennedy oder Gary Brooker zu hören) und Komplexität lässt Director’s Cut natürlich auch keine Wünsche offen.
Vor allem aber zeigt ironischerweise ausgerechnet die Rückkehr zu diesen alten Songs die Aktualität von Kate Bush. Immer wieder macht Director’s Cut deutlich, wie viel die aktuelle Riege der (nicht nur) britischen Fräuleinwunder dieser Frau schuldet. Deeper Understanding hätte nicht das geringste Update gebraucht, um aufs aktuelle Album von Ellie Goulding, La Roux oder Robyn zu passen. Das kraftvolle Top Of The City wäre auch im Kanon von Florence & The Machine oder Marina & The Diamonds ein Höhepunkt. Sie alle haben gelernt, was Kate Bush auch hier wieder unter Beweis stellt: Exzentrik ist immer dann am besten, wenn sie mit Talent gekoppelt ist.
Ein Mann ist besessen von seinem Computer – was passiert, wenn man das wörtlich nimmt, zeigt das Video zu Deeper Understanding:
httpv://www.youtube.com/watch?v=nzqF_gBpS84
Ein Gedanke zu “Kate Bush – „Director’s Cut“”