Hingehört: Kathleen Edwards – „Voyageur“

Die große Entspanntheit regiert auf "Voyageur".
Die große Entspanntheit regiert auf „Voyageur“.
Künstler Kathleen Edwards
Album Voyageur
Label Zoë Records/Rounder
Erscheinungsjahr 2012
Bewertung ***1/2

Aufregende, spannende, inspirierende Sessions müssen das gewesen sein. Denn Kathleen Edwards arbeitete für Voyageur nicht nur erstmals mit Justin Vernon (Frontmann von Bon Iver) als Produzent zusammen. Die beiden sind seitdem auch ein Paar. „Die Beziehung zwischen einem Produzenten und einem Künstler hängt zu einem nicht unwesentlichen Teil von der Bereitschaft ab, einander zu vertrauen. Aber eben auch davon, sich gegenseitig alles abzuverlangen. Selbst wenn es einem Angst einjagt. Ganz besonders wenn es einem Angst einjagt“, meint die Kanadierin vielsagend.

Die amouröse Spannung hört man Voyageur, dem am Freitag erscheinenden vierten Album der 33-Jährigen, kaum an. Trotzdem spielte Vernon, mit dessen Band Kathleen Edwards auch schon auf Tour war, eine ganz entscheidende Rolle im Entstehungsprozess. „Er war das Mischpult für Ideen, er bastelte an den Klängen herum, überzog die Songs mit einer neuen Musikalität und sorgte dafür, dass sie sich genau in die Richtungen entwickeln konnten, die sie unbedingt brauchten“, sagt Kathleen Edwards über den Input ihres, nunja, Partners.

Und auch wenn sich ein erotisches Knistern auf Voyageur nicht wirklich ausmachen lässt, hat das Album doch eine ganz bezaubernde, liebevolle, harmonische Atmosphäre. Müsste man die Platte in einem Wort zusammenfassen, dann wäre dieses Wort wohl: defensiv.

Sie werde nach Amerika auswandern, schwört Kathleen Edwards im ersten Stück der Platte – um dann zuzugeben, dass das nur eine leere Drohung ist. Heiter und trotz des druckvollen Beats erstaunlich sachte klingt dieser Empty Thread. Danach erklärt sie in Chameleon/Comedian, sie brauche nicht unbedingt Pointen zum Lachen, und das Ergebnis klingt wegen der Stimme und der leidenschaftlichen Melancholie nach den Cranberries.

Sich ganz klein zu machen, das ist auch sonst eine beliebte Masche bei Kathleen Edwards. „I was feeling so lost for so long / I didn’t know what to do“, singt sie im ansonsten schmissigen Sidecar. “I don’t want to feel this way”, lautet die Klage in Pink Champagne, begleitet von Klavier und Slide-Gitarre. Sie werde zur Hölle fahren, sagt sie dann gar in Going To Hell voraus, und das auch noch “in a basket I’ve made”. Und ganz am Schluss, im herrlichen For The Record, klingt es fast entschuldigend, wenn sie singt: „Hey, hang me up on your cross / for the record: I only wanted to sing songs.“

Fast in jeder Minute breitet sich auf Voyageur eine große Entspanntheit aus, mit viel Gefühl und Könnerschaft (als Gäste sind unter anderem Norah Jones, Sean Carey von Bon Iver und John Roderick von den Long Winters zu hören). Das Ergebnis ist bei aller Zurückhaltung ein wunderschönes Singer-Songwriter-Album. Aber nichts auf Voyageur ist laut, plakativ oder modern. Selbst wenn es mal etwas düster und sperrig wird wie in A Soft Place To Land, ist da immer noch eine hübsche Melodie, die dem entgegen steht.

Am besten ist Kathleen Edwards, wenn sie ganz reduziert zu Werke geht. Change The Sheets, das Fans schon als B-Seite der Single Wapusk bekannt sein dürfte, setzt auf eine prominente Orgel und weckt so ganz viel Fernweh. House Full Of Empty Rooms klingt wie die Corrs, wenn die eines Tages alle Chartplatzierungen vergessen haben sollten. Der Höhepunkt ist Mint: Ein knackiger Gitarrensound steht im Zentrum, und über einen trockenen Beat à la Tom Petty singt Kathleen Edwards dann mit einer Stimme, dezent verraucht und sexy wie die von Sheryl Crow. „God doesn’t know you like I do“, heißt die zentrale Zeile. In Nashville würde so ein Satz womöglich eine Anzeige wegen Blasphemie einbringen. Die Songs für Voyageur entstanden allerdings in Seattle und Wisconsin – und da dürfte dieser Satz wohl als Liebeserklärung gelten.

Netterweise hat Kathleen Edwards ein kleines Teaser-Video für Voyageur gemacht:

httpv://www.youtube.com/watch?v=41u3_mFQoAw

Kathleen Edwards bei MySpace.

Eine Kurzversion dieser Rezension gibt es auch bei news.de.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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