Künstler | Keane | |
EP | Night Train | |
Label | Universal | |
Erscheinungsjahr | 2010 | |
Bewertung |
Zugegeben: Es gibt Originelleres, als den aktuellen Tonträger von Keane zu verreißen. Kaum eine Band ist bei Journalisten so unbeliebt, wird in der Presse so gerne durch den Kakao gezogen und von Kennern so reflexartig belächelt wie das Trio aus East Sussex.
Wer in England einmal Musikjournalist werden will, der muss vorher wahrscheinlich das Pflicht-Seminar „Wie schreibe ich einen Keane-Verriss?“ besuchen. Und so passiert es dann, dass es bei Keane nicht einmal cool wird, wenn man sich in der Entzugsklinik mit Pete Doherty anfreundet, wie das bei Sänger Tom Chaplin der Fall war.
Zugegeben: Die Band hat einen beknackten Namen, sieht scheiße aus und übt sich in der nicht besonders spannenden Kunst des Wir-schreiben-Popsongs-so-ähnlich-wie-die-Beatles. Aber das hat Oasis auch nicht daran gehindert, Götter zu werden.
Das Problem an Keane ist nur: Sie sind nicht besonders gut. Sie sind das genaue Gegenteil von spannend. Und sie haben nicht den kleinsten Furz Humor. Das Presse-Info zur neuen EP Night Train ist fast rührend in seinen Bemühungen, dieser Band so etwas wie Relevanz zu verschaffen: Die letzten drei Alben von Keane haben sich alle „mehr als eine Million Mal verkauft“. Sie sind „überraschend angesagt in HipHop-Kreisen“, spielen „rund um den Globus in ausverkauften Stadien“, haben „astreine Hymnen“ geschrieben, „etliche Preise abgeräumt“ und „sich immer wieder neu erfunden“.
Immerhin beantwortet die Presseabteilung von Universal aber auch die (sicher nicht ganz einfache) Frage, warum es nun eine EP von Keane geben muss: Sie hatten schlicht Zeit und Lust, „nach so einer langen Tour einfach ins Studio zu gehen und etwas vollkommen Neues zu erschaffen“, sagt Songschreiber Tim Rice-Oxley. Und so entstand Night Train quasi zwischendurch, in verschiedenen Studios auf drei Kontinenten.
Vollkommen neu ist bei diesen acht Songs natürlich nichts. Es gibt immer noch die Sehnsucht nach Harmonie, die bei Rice-Oxley so groß ist, dass er (gemeinsam mit Phil Collins und Paul Young) wahrscheinlich heimlich längst an einer Künstler-Allianz zur Bekämpfung des roten Bereichs bastelt. Und es gibt weiter die Stimme von Tom Chaplin, die auch nach jahrelangem Alkohol- und Medikamentenmissbrauch noch unerträglich seicht klingt.
Allerdings ist der krampfhafte Versuch, alles perfekt zu machen, einer gewissen Spontaneität gewichen, die der Band hörbar Spaß gemacht hat. Es gibt einen instrumentalen Opener (House Lights), eine Coverversion von Ishin Denshin (im Original vom Yellow Magic Orchestra und hier mit japanischem Sprechgesang), den schlimmen Eighties-Zombie Your Love (bei dem Rice-Oxley beweist, dass er noch schleimiger singen kann als Chaplin) und zwei Songs, bei denen der Rapper K’Naan mitmacht (das mit einem Beinahe-Eye Of The Tiger-Sample arbeitende Looking Back und das pervers penetrante Stop For A Minute, das im Gehörgang klebt wie frisch lackierte Bienenscheiße). Und natürlich einen reichlich pompösen Rausschmeißer (Night Train), der zu den großen Vorbildern Radiohead etwa in dem Verhältnis steht wie Mark Medlock zu Dieter Bohlen.
Keane bleiben also auch auf EP-Länge eine kaum zu ertragende Seicht-Band, auch wenn sie jetzt ganz offensichtlich selbst wieder Spaß an ihrem Job haben. Sie werden sich, das ist nach Night Train gewiss, nicht so bald auflösen. Immerhin wird es also weiter genug Unterrichtsmaterial für das Verriss-Seminar geben.
Es geht noch uncooler: Stop For A Minute, bei einem Konzert für die, ACHTUNG!, Website der Sun:
httpv://www.youtube.com/watch?v=FlZfF6esYtE
4 Gedanken zu “Keane – „Night Train“”