K’Naan – „Country, God Or The Girl“

Künstler K’Naan

Prominente Gäste und eigener Stil: das sind zwei der Erfolgsfaktoren für "Country, God Or The Girl".
Prominente Gäste und eigener Stil: das sind zwei der Erfolgsfaktoren für „Country, God Or The Girl“.
Album Country, God Or The Girl
Label A & M
Erscheinungsjahr 2012
Bewertung

Man kann durchaus ein bisschen Ironie darin erkennen, dass K’Naan ausgerechnet mit einer Fußballhymne (Wavin’ Flag, dem Song zur WM 2010) seinen Durchbruch geschafft hat. Mit solchen Liedern verbindet man ja gerne das möglichst Plakative. Je einfacher, desto massenkompatibler – die Gültigkeit dieser Formel kennen wir nicht erst seit dem Dömdedömmdededömmdömm von Seven Nation Army. An Künstler mit sozialem Gewissen, einem auch musikalisch großen Horizont und erstaunlichem Talent denkt man da weniger. Doch K’Naan ist dieser Künstler, und sein drittes Studioalbum Country, God Or The Girl ist ein eindrucksvoller Beleg dafür.

Der Kanadier vereint hier HipHop, Soul, Pop und Sounds aus seinem Geburtsland Somalia zu einem schillernden, sehr unterhaltsamen Mix. Trotz der durchaus zahlreichen (und prominenten, doch dazu später) Gäste bleibt das Album eine runde Sache und ist geprägt von K’Naans eigenem Stil. Und, nicht ganz unwichtig: Die Platte bietet ein paar Hits.

In der Mitte von Country, God Or The Girl beispielsweise gibt es ein Triumvirat von Tracks, die so stark sind, dass andere HipHop-Künstler sie lieber auf drei Alben verteilen würden. Is Anybody Out There, die Zusammenarbeit mit Nelly Furtado, ist ein richtig guter Popsong und hat seine Hitqualitäten schon im Frühjahr bewiesen, als der Song als Vorab-Single erschien. Danach glänzt Hurt Me Tomorrow, geschrieben gemeinsam mit OneRepublic-Frontmann Ryan Tedder, als bester Song des Albums: Ein Klavier bildet das Fundament, der Text ist ebenso witzig wie rührend. „Mach’ heute nicht mit mir Schluss, heb’ dir das doch einfach bis morgen auf“ – so lautet die Botschaft, und das gibt dem Track eine reizvolle Atmosphäre zwischen Unbeschwertheit und Verletzlichkeit, Optimismus und Sorge. Danach zeigt das ausgelassene The Sound Of My Breaking Heart, dass K’Naan auch zwei Jahre nach seiner WM-Hymne durchaus gerne weiter Musik mit Stadiontauglichkeit machen möchte.

Das Schöne an Country, God Or The Girl ist, dass neben solchen inspirierten, aber auch unverhohlen durchkalkulierten Songs auch Ungewöhnliches steht. The Seed ist am Beginn des Albums keine Coverversion des gleichnamigen Track der Roots, hat aber ebenso wie dieser eine heimliche Rock-DNA. Die Gitarre macht diese Herkunft deutlich, vor allem aber die Bass Drum, die klingt, als würde jemand sehr unmissverständlich an die Tür (meinetwegen zur Beletage des HipHop) klopfen. Gold In Timbuktu ist danach ein beinahe melancholischer Moment, den man sich auch von den Eels (!) vorstellen könnte. Waiting Is A Drug setzt auf ein Piano-Riff und fröhliches Pfeifen, Better sampelt die Orgel aus Coldplays Lost, für viel Exotik, Feuer und Ungeduld sorgt die von K’Naan gespielt Mbira in Simple.

70 Excuses entwickelt mit echten Bläsern, einem Fender Rhodes und einem Harmonium einen herrlich warmen Sound, mit sanfter Strophe und einem Mardi-Grass-Finale. The Wall vereint am Ende des Albums einen Housebeat mit einer heiteren akustischen Gitarre sowie einem atemlosen, sich grandios beschleunigenden Refrain. Mit Nothing To Lose gönnt sich K’Naan ein Duett mit Nas, einem der Helden seiner Jugend, das allerdings unspektakulär bleibt. Die Kooperation mit, jawohl, Bono, gelingt deutlich besser: Bulletproof Pride wird eine erhebende Quasi-Ballade, in der Bono zwischendurch amüsanterweise kurz wie Meat Loaf klingt.

Vieles auf Country, God Or The Girl (für den Titel liefert K’Naan leider keine Erklärung mit, im Booklet findet sich aber ein Hinweis in den drei Sätzen „Thank you country. Thank You God. Thank you girl.) ist ungewöhnlich, trotzdem hat das Album viel Pop-Appeal und eine enorm entspannte, lebensfrohe Grundatmosphäre. Solange K’Naan weiter solche Musik macht, kann sich der geistesverwandte Wyclef Jean gerne voll und ganz auf seine Politikerkarriere konzentrieren.

K’Naan spielt Hurt Me Tomorrow als Quasi-Unplugged-Version:

httpv://www.youtube.com/watch?v=r08hDHa7WlA

Homepage von K’Naan.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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