Künstler*in | Kylie Minogue | |
Album | Aphrodite | |
Label | EMI | |
Erscheinungsjahr | 2010 | |
Bewertung |
Zuerst müssen wir über die Optik sprechen. Kylie Minogue, mittlerweile 42, sieht unverschämt sexy aus auf dem Cover von Aphrodite, ihrem mittlerweile elften Studioalbum. Ob Photoshop, Botox oder gute Gene dafür verantwortlich sind, ist völlig egal, wenn sie sich im Videoclip zur Vorab-Single All The Lovers im wahrsten Sinne des Wortes auf einem Berg leicht bekleideter schöner Menschen räkelt – und keine allzu große Transferleistung verlangt für die These, dass sie auch über einer solch attraktiven Frischfleisch-Installation noch immer schweben kann wie eine Göttin. Aphrodite eben.
Das ist natürlich keineswegs unbedeutend, denn zum einen macht die Australierin nach wie vor Musik, die ganz und gar Hedonismus ist – und eben eine entsprechende Ästhetik braucht. Zum anderen waren Sex-Appeal und Fashion-Statements in der jüngeren Karriere von Kylie Minogue mindestens ebenso wichtig wie ihre Musik.
Eine kulturelle Ikone des 21. Jahrhunderts ist sie nicht durch ihre Dancepop-Liedchen geworden, sondern durch den skandalös heißen Unterwäsche-Ritt auf einem Rodeo-Simulator. Durch, mein Gott, goldene Hotpants im Clip zu Spinning Around. Und, vor allem, durch ihr längst legendäres Kapuze-und-sonst-nicht-mehr-viel-Outfit im Video zu Can’t GetYou Out Of My Head – quasi der Geburtsstunde der Idee, Brüste in einem allzu gewagten Dekolleté einfach mit Klebeband in Position zu halten.
Musikalisch hat Kylie Minogue eigentlich seit dem 15 Jahre alten Duett Where The Wild Roses Grow mit Nick Cave nicht mehr aufhorchen lassen. Ihre Outfits aber werden sogar in der Tate Modern Gallery ausgestellt.
Ganz ähnlich wie Madonna hat es Kylie Minogue also geschafft, mit feinem Gespür für Trends, einem totalen Verständnis der Mechanismen von Pop und einem noch größeren Willen zum ständigen Ausverkauf des eigene Ruhms die Tatsache zu überspielen, dass sie eigentlich nicht das geringste musikalische Talent hat. Ähnlich wie Madame Ciccone ist sie zur ultimativen Pop-Prinzessin geworden, ohne sonderlich gut singen, tanzen oder gar komponieren zu können.
Im Gegensatz zur Maschine Madonna wirkt Kylie Minogue aber auch im 32. Jahr ihrer Karriere nicht wie ein seelenloses Marketing-Monster. Wegen unglücklicher Beziehungen, ihrer Brust-Krebs-Erkrankung oder unlängst der Nachricht, dass sie keine Kinder bekommen kann, ist die Australierin immer menschlich geblieben. Kylie Minogue kennt das Scheitern, die Niederlage. Und das macht Aphrodite so spannend.
Denn, ganz ähnlich wie im Clip mit all den halbnackten jungen Menschen (der mir übrigens ein bisschen wie eine arg verspätete YouTube-Antwort auf Sweet Harmony von The Beloved vorkommt), hat Kylie Minogue auf Aphrodite ein ganz deutliches Ziel: Sie will allen zeigen, dass sie noch mithalten kann. Lady Gaga ist die schärfste Konkurrentin (noch so eine, bei der die Mode längst wichtiger ist als die Musik), auch die jüngsten Elektropop-Größen wie La Roux, Robyn oder Ellie Goulding sind Bezugspunkte.
All The Lovers ist ohne die Bilder von Topmodels in Unterwäsche zwar nur noch halb so aufregend, bleibt aber sehr stylisch und eingängig. Get Outta My Way hat viel Schwung, der Titelsong überzeugt mit mindestens ebenso viel Energie und viel Liebe zum Detail (von einem Beat, der afrikanische Elemente mit einem Marsch-Schlagzeug und mächtigen Pauken vereint über sehr gelungene Gesangs-Effekte bis hin zu einem unwiderstehlichen Refrain). Illusion, eines von drei Stücken, das Zoot-Woman-Mastermind Stuart Price beigesteuert hat, der auf Aphrodite auch als Executive Producer fungiert, ist ganz klar der Wille zur Innovation anzuhören.
Nach einer knappen halben Stunde erinnert das etwas platte, aber sehr effektive Better Than Today noch einmal dran, wie das erste Wort auf diesem Album hieß: „Dance“. Ganz deutlich die Handschrift von Calvin Harris trägt dann das äußerst plakative Too Much. Sogar mit Gitarren wartet Cupid Boy auf. Ganz am Ende ist Can’t Beat The Feeling die Sorte harmloser Feger, von dem die Sugababes schon lange vergeblich träumen.
Dazwischen gibt es die Aussetzer, die bei derlei Fließbandware von den aktuell angesagtesten Pop-Tüftlern üblich sind. Als Album ist Aphrodite trotzdem viel gelungener, als man es hatte erwarten dürfen (und natürlich besser als alles, was Madonna in den vergangenen 20 Jahren hervorgebracht hat). Die neue Kylie Minogue ist großartig für die Disco, nett fürs Radio und auch im Vergleich zur aktuellen Pop-Avantgarde noch ordentlich. Sie hat nur ein Problem: Mit „ordentlich“ geben sich Robyn oder La Roux längst nicht mehr zufrieden.
Viel Frischfleisch, und Kylie obenauf: Den Clip zur Single All The Lovers stellt Kylie Minogue auch live gerne nach:
httpv://www.youtube.com/watch?v=OHARusEos7M
Diesen Artikel gibt es mit einer Fotostrecke und einem Porträt zu Kylie Monogue auch bei news.de.
3 Gedanken zu “Kylie Minogue – „Aphrodite“”