Künstler | Lady Antebellum |
Album | Own The Night |
Label | Capitol |
Erscheinungsjahr | 2011 |
Bewertung | *1/2 |
Kein Wunder, dass in den USA die Sehnsucht nach früher groß ist. Zum Beispiel nach dem Jahr 1984.
Damals wuchs die Wirtschaft um 7,2 Prozent (im Jahr 2010 waren es nur noch 2,7 Prozent). Etwa 300.000 Menschen waren 1984 zumindest zeitweise von Obdachlosigkeit betroffen – bis zum Jahr 2009 hat sich dieser Wert auf etwa 3,5 Millionen Menschen mehr als verzehnfacht. 33,7 Millionen Amerikaner lebten 1984 unterhalb Armutsgrenze, derzeit sind es 47,4 Millionen – ein Plus von 40 Prozent.
Lady Antebellum sind die Band, die diese Sehnsucht nach einer längst vergangenen, besseren Zeit bedient. Das Trio, 2006 in Nashville gegründet, lebt nicht schlecht davon. Schon das Debüt Lady Antebellum erhielt in den USA Doppelplatin, das Nachfolgewerk Need You Now (2010) brachte ihnen drei Nummer-1-Hits und fünf Grammys ein.
Um in einem Land, das am Abgrund steht, mit so viel Erfolg nicht allzu viele Neider auf den Plan zu rufen, sagen die Mitglieder von Lady Antebellum dann auch artig die richtigen Sätze. „All diese Menschen, die ihr schwerverdientes Geld in ein Konzertticket oder eine CD stecken, investieren in uns und in das, was wir darstellen“, weiß Sängerin Hillary Scott, „nicht nur in die Musik, die wir spielen, sondern in unser Leben. Das Mindeste, was wir tun können, ihnen dieses Vertrauen zurückzugeben, ist, dass wir unsere Tourneen fortsetzen und weiterhin Musik machen – und bei beidem das Beste aus uns herausholen.“
Dave Haywood, das musikalische Hirn der Band, propagiert ebenso unbescheiden die Bescheidenheit. „In 20 Jahren werden hoffentlich die Leute noch über uns reden und sagen, ‘Was waren das für bodenständige Menschen, die ebenso unverfälscht Musik über ihre eigenen Erfahrungen machten.‘“
Die Musik ist die perfekte Entsprechung dazu. Gottesfürchtig, solide, konservativ. Hillary Scott und ihr Gesangspartner Charles Kelley erfreuen sich immer wieder selbst an ihrem Harmoniegesang, dazu gibt es harmlosen Wohlklang oder das, was man vor 25 Jahren noch “Powerballaden” nannte. Jede Minute von Own The Night klingt, als sei sie direkt aus der Zeit entsprungen, in der Ronald Reagan im Weißen Haus und Bryan Adams in den Radios regierte.
Wenn das nicht gerade an die unsägliche Shania Twain denken lässt (Wanted You More) oder derart schlimmer Schmock ist, dass sich sogar Sting dafür zu schade wäre (Somewhere Love Remains), hat das durchaus seine Momente. Die Single Just A Kiss wirkt wie ein Mix aus Vanessa Carlton (die Strophe) und den Wilson Phillips (der Refrain) – in jedem Fall ist das kompetentes Songwriting. Auch Dancing Away With My Heart, das man sich von Sheryl Crow vorstellen könnte, wenn die plötzlich Lust auf Klischee-Romantik bekommen sollte, merkt man die Expertise an, vor allem von Produzent Paul Worley (Dixie Chicks), der Lady Antebellum schon bei den bisherigen Alben zur Seite gestanden hatte. When You Were Mine hat ein niedliches Klavier und wird sicher manchen Fan der Corrs glücklich machen.
Weil sie natürlich stets im Dienste des Kunden unterwegs sind, haben Lady Antebellum auch den Monster-Hit Need You Now vom letzten Album noch einmal auf Own The Night gepackt. Charles Kelley hat gute Argumente dafür: „Die Kraft dieses Songs hat das Ausmaß unserer Karriere komplett verändert, sowohl daheim als auch an allen anderen Orten, von denen wir bis dahin nur träumen konnten, dort auch zu spielen.“ Schon wieder: Rechtschaffenheit, big size.
Sein Bandkollege Dave Haywood kann das genauso gut. „We Owned The Night ist der Opener des Albums“, erklärt er über den Beinahe-Titelsong, der reichlich Assoziationen an die Hooters oder Glass Tiger weckt, mittendrin tatsächlich ein „Yeah!“ in bester Bryan-Adams-Manier und zum Schluss auch noch den zwangsläufigen „ohohohohoho“-Part zu bieten hat. „Ich liebe diesen Song einfach. Für den Albumtitel haben wir den Songtitel ein wenig abgewandelt, um ihn ins Hier und Jetzt zu setzen. Wenn man zu unseren Shows kommt, geht es genau darum: Sei zuversichtlich, lebe den Moment und genieße die Erfahrung, die du gerade machst – mach sie dir zu Eigen. Diese Prämisse wollten wir zum Ausdruck bringen.“
Diese Mentalität zieht sich dann tatsächlich durch das gesamte Album. Kurz vor Schluss bringen das ein paar Zeilen im bombastischen Heart Of The World auf den Punkt. „Hope is the soul of the dreamer / And heaven is the home of my God / It only takes one to believe in / to believe you can still beat the odds.“ Dieser Mix aus „Wir sind immer noch wer“ und „Et hät noch immer joot jejange“ ist nicht nur langweilig und in seiner Bigotterie schwer erträglich. Er ist auch ärgerlich. Finanzkrise, Staatsverschuldung, Jugendgewalt? All das wird hier einfach weggelächelt. Kritik, Hinterfragen, Protest? Gibt es natürlich nicht.
Die Botschaft von Lady Antebellum ist eine andere: Wenn alles gut ist, sollte man das feiern. Und wenn nicht, kann man sich ja immer noch in eine andere Welt träumen. Zur Friday Night (wie ein weiteres Lied heißt, das schwer nach Achtziger-Überbleibsel klingt), in ein Dasein ohne schmerzhafte Gefühle (die durchaus hübsche Ballade Cold As Stone). Oder notfalls eben gleich zurück ins Jahr 1984.
Nette Parodie: Wie man aus Lady Antebellums Need You Now eine Hymne auf den Fleischverzehr macht:
httpv://www.youtube.com/watch?v=7PuNCMo4rkM