Künstler | Lana Del Rey | |
Album | Born To Die (Paradise Edition) | |
Label | Universal | |
Erscheinungsjahr | 2012 | |
Bewertung |
Dass Amerika auf der Suche nach sich selbst ist, behaupten manche. So weit ist es noch nicht. Die USA muss man nicht suchen, sie sind einfach da, und sie sind wichtig – so lautet nach wie vor das Selbstverständnis, und die anderen haben sich mit dieser Tatsache abzufinden. Von einer Sinnkrise zu sprechen, ist aber sicher nicht übertrieben. Es mag am Haushaltsdefizit liegen, an „Katrina“ und „Sandy“, an den leerstehenden Fabriken in Detroit, an den toten und verstümmelten Soldaten, die aus dem Irak und Afghanistan zurückkommen und nicht genau wissen, wofür sie da eigentlich gekämpft haben. Irgendetwas passiert, gerät ins Rutschen, und auch die Amerikaner spüren es.
Lana Del Rey hat mit Born To Die den Soundtrack zu diesem Gefühl gemacht. Das Album kam in elf Ländern an die Spitze der Charts, erreichte Doppel-Platin-Status in Deutschland (wo Lana Del Rey im April übrigens auf Tour sein wird) und war in den USA 36 Wochen lang unter den Top100. Das ist nicht nur ihrer tollen Stimme und einer Atmosphäre geschuldet, in der Gefühle immer dominieren und in dem für Berechnung kein Platz ist. Sondern auch der Nostalgie, die in diesen Liedern steckt, ihrer Verankerung in den 1950er und 60er Jahren.
Kaum etwas könnte das deutlicher machen als die Paradise Edition, die erweiterte Neuauflage von Born To Die. Neben dem Originalalbum gibt es darauf acht neue Lieder, durchweg exzellenter Melancholiker-Pop, und stets durchdrungen von der Sehnsucht nach einer besseren Zeit.
Das unterstreicht am offensichtlichsten ihre Coverversion von Blue Velvet, einem Lied, zu dem mit einiger Wahrscheinlichkeit schon ihre Großeltern getanzt haben. Lana Del Rey reichert Blue Velvet (das auch in den Werbespots ihrer H&M-Kampagne zu hören war), um einen verhuschten Computerbeat an und braucht gar nicht viel mehr, um das Original aus dem Jahr 1954 schlüssig in ihr Oeuvre zu integrieren.
Auch die eigenen Songs passen in dieses Schema. In den Texten geht es immer wieder ums Weglaufen, um die (Zu-)Flucht an einen besseren Ort, oder gleich um die Ikonen der USA. „I fall asleep with the American flag“, singt Lana Del Rey in Cola (eine Zeile, die freilich noch durch die Behauptung „My pussy tastes like Pepsi Cola“ in den Schatten gestellt wird), einem fast tanzbaren Moment der Paradise Edition. In Yayo klingt sie zugleich wie Lolita, Marilyn und Laura Palmer, der Song wird entsprechend ganz großes Kino, beinahe mit Musical-Ausmaßen. Und auch im Refrain von American mit seiner wundervollen Melodie geht es eher um das Image von Amerika als um die Realität des 21. Jahrhunderts.
Dazu kommen Bel Air (mit extrem hoher Stimme), das etwas gespenstische Body Electric und Gods & Monsters, das vor Augen führt, wie Massive Attack wohl geklungen hätten, wenn die Droge ihrer Wahl nicht Marihuana, sondern Wodka-Martini gehießen hätte. Und die Single Ride, geschrieben gemeinsam mit Justin Parker (der unter anderem auch Video Games mit komponiert und mit Ellie Goulding gearbeitet hat) und produziert von Rick Rubin. Streicher und Piano verströmen auch hier eine enorme Eleganz, beinahe ein Gefühl von Überfluss. Im Angesicht der amerikanischen Krise hat das einen erstaunlichen Effekt. Denn auch Ride zeigt: Am schönsten lässt sich schwelgen, wenn man im Hintergrund den materiellen Wohlstand weiß – und nicht die existenzielle Bedrohung.
Der Albumtrailer zur Paradise Edition:
httpv://www.youtube.com/watch?v=GpJUm5C07_0
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