Künstler | Leonard Cohen | |
Album | The Future | |
Label | Columbia | |
Erscheinungsjahr | 1992 | |
Bewertung |
Als „enttäuschten Anarchisten ohne Bombe“ hat die FAZ Leonard Cohen auf einer seiner Tourneen einmal erlebt. In der Tat wollte der Kanadier immer ein Rebell sein – doch stets ist ihm etwas dazwischengekommen. Als er auf der Seite von Fidel Castro in Kuba kämpfen wollte, waren es beispielsweise Sonne, Rum und Frauen.
Sein Waffenarsenal beschränkte sich künftig auf seine Texte, „wo schöne Sentenzen kopulieren und neue gebären, wo mit geistreichen Finten wider den Ungeist der Welt gefochten wird“ (Rolling Stone).
Kritisch war Leonard Cohen also schon immer. Doch The Future, inspiriert vom Fall des Eisernen Vorhangs, ist seine politischste Platte. Im Schlüsselstück Democracy versucht er sogar noch einmal die Provokation. „I’m sentimental, if you know what I mean: I love the country but I can’t stand the scene / and I’m neither left or right / I’m just staying home tonight / Getting lost in that hopeless little screen / but I’m stubborn as these garbage bags / that time cannot decay / I’m junk but I’m still holding up this little wild bouquet: Democracy is coming to the USA.“
Die Situation ist erkannt, die Aussichten sind schlimm. „Get ready for the future, it is murder“, lautet deshalb gleich zu Beginn der Platte die düstere Warnung des Titelsongs. Die Strophen rechnen mit den Krankheiten der Gegenwart ab und prognostizieren die Epidemien der Zukunft. Cohen ist nicht nur frustriert, er ist verbittert. Vielleicht liegt es am Alter, vielleicht auch daran, dass er sich plötzlich ohnmächtig fühlt. „I know you really loved me / but, you see, my hands were tied“, lautet die Metapher dazu, die (Er-)Lösung kann in Waiting For The Miracle nur noch das Schicksal bringen.
Vielleicht war es auch diese Desillusion, die sich auf die Musik ausgewirkt hat. Denn nur sechs Stücke hat Cohen diesmal selbst komponiert, eines davon (Tacoma Trailer) ist ein unverständlicherweise ein Instrumental. Waiting For The Miracle hat Cohen gemeinsam mit Sharon Robinson geschrieben, die auch bei seinem jüngsten Werk Ten New Songs für die Musik zuständig war.
Genau wie diese Platte krankt auch The Future am übermäßigen Keyboard-Einsatz, bleibt zu klinisch. „Ich liebe diesen synthetischen Klang, er ist so unaufwändig herzustellen“, sagt Leonard Cohen zu diesem Thema. Doch prgogrammierte Beats und künstliche Streicher erzeugen eben nicht die Intimität und Intensivität, die seine früheren Platten ausgezeichnet haben.
Dass deshalb die Coverversionen zu den Highlights zählen, ist kein gutes Zeichen. Frederick Knights Be For Real singt Cohen so rührend und so freiwillig sich selbst aufopfernd, dass man Mitleid mit ihm bekommen muss. Irving Berlins Always schlägt in die selbe Kerbe und darf sogar ein wenig staubige Luft einatmen.
Wenigstens haben die Lyrics nichts von ihrer Präzision, Schärfe und Schönheit verloren. Closing Time feiert wieder einmal den Moment der Unbeschwertheit, hat aber auch schon das Ende vor Augen, muss bereits die Torschlusspanik überspielen. Spuren dieses Widerspruchs tragen auch das im Background-Gesang etwas zu pathetische Anthem („The birds they sang at the break of day / start again, I heard them say / don’t dwell on what has passed away / or what is yet to be“) und das versöhnlichere Light As The Breeze („It’s dark and it’s snowing / oh my love I must be going / St. Lawrence river is starting to freeze / and I’m sick of pretending / I’m broken from bending / I’ve lived too long on my knees“).
Cohen steigert sich in die Rolle des Opfers hinein und gefällt sich immer besser in ihr, weil er immer mehr an ihr leidet. Dass er über seinen Kampf ausgerechnet im „für ihn ungeeigneten Medium Pop“ (New York Times) berichtet, macht die Situation nicht einfacher und ist genauso paradox. Leonard Cohen weiß das: „Ich hatte das Glück, mit dem einen Postulat, das ich zu Beginn des Spiels aufgestellt hatte, nicht an der Realität zu scheitern“, hat er jüngst einmal festgestellt. Offensichtlich ist er immer unzufriedener mit der Welt, aber immer zufriedener mit seiner Rolle in ihr.
Die schlimmen Keyboards waren damals auch live omnipräsent. Trotzdem hübsch: Diese Perfomance von The Future bei Jools Holland:
httpv://www.youtube.com/watch?v=_drEFOaPaK8